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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0651
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628 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

1888 von N. derart enggeführt wurden, hilft auch bei der Erklärung, weshalb er
schließlich in AC seine gesamte „Umwerthung aller Werthe" vollzogen glaubte,
während kurz vorher die „Umwerthung" noch drei weitere Bücher, darunter
„Der Immoralist" enthalten sollte (vgl. NK ÜK AC 1). Wenn „Immoralist" auch
„Antichrist" bedeutet, erübrigt sich zumindest dieses Buch.
371, 3 f. Die christliche Moral war bisher die Circe aller Denker, — sie standen
in ihrem Dienst.] Vgl. NK 305, 21 f.
371, 4-7 Wer ist vor mir eingestiegen in die Höhlen, aus denen der Gifthauch
dieser Art von Ideal — der Weltverleumdung! — emporquillt? Wer hat auch
nur zu ahnen gewagt, dass es Höhlen sind?] In AC sind Unterwelt- und Unter-
grundmetaphern zur Charakterisierung des Lebensraums von Christen sehr
häufig, vgl. die Zusammenstellung in NK KSA 6, 209, 11 (siehe auch NK 310,
28-30). Wenn N. hier selbst den Weg in die Höhle(n) antreten musste, ist dies
zum einen die ironische Umkehr des Weges, den der Philosoph nach Platons
Höhlengleichnis (Politeia 514a-517a) antrat, dort nämlich aus der Höhle und
ihrer falschen oder schemenhaften Erkenntnis heraus ins Licht der Ideenschau.
Zum anderen ist der Gang in die Unterwelt der Weg, der kaum einem antiken
Helden von Odysseus über Orpheus bis Aeneas erspart geblieben ist, um sein
Heldentum zu beglaubigen.
Die Szenenbeschreibung in Wagners Rheingold stellt Nibelheim — die Hei-
mat der zwergartigen Nibelungen — als unterirdisches Höhlensystem dar, aus
dem Schwefeldampf hervorquillt (Wagner 1907, 5, 233 f.). Siegfried besiegt den
in der „Neidhöhle" hausenden Fafner, ohne freilich selbst in die Höhle hinab-
zusteigen.
371, 6 Weltverleumdung] Die an die Macht gekommenen Schwachen
explizit als Anhänger von „Weltverleumder-Ideale[n]" darzustellen, versuchte
N. erst in GM II 24, KSA 5, 335, 26. Adjektivische und substantivische Wortvaria-
tionen tauchen in WA Nachschrift, KSA 6, 42, 34, in AC 24, KSA 6, 193, 8 und
in EH M 2, KSA 6, 331, 7 f. auf. In welchem Kontext die nur in 371, 6 und in NL
1885, KSA 11, 42[2], 692 belegte „Weltverleumdung" zu sehen ist, erhellt eine
Notiz in NL 1884, KSA 11, 25[289], 85: „Meine Rede gegen die Bösen (welche
den Sklaven schmeicheln — ) / die Weltverleumder / die Guten (welche
glauben, daß Wohlthun leicht sei und für Jedermann) / (gegen die Pfaffenluft,
auch die Pfarrhäuser-Luft[)]". Vor N. ließ sich der Ausdruck nicht belegen;
er könnte beispielsweise eine Eindeutschung der französischen Wendungen
„denigrement du monde" (z. B. bei Riviere 1872, 290) oder — im religiösen
Kontext gebräuchlich — „medisance du monde" sein (z. B. Franz von Sales
1832, 292, dort aber im Sinne von: die in der Welt herrschende üble Nachrede).
Die naheliegende Quelle ist jedoch Eugen Dührings Werth des Lebens, von dem
 
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