Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0766
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar NW Musik, KSA 6, S. 423-424 743

N.s Werken sonst nur in GT 22, KSA 1, 141, 15 f. vor, wo aus Isoldes „metaphysi-
sche[m] Schwanengesang" zitiert wird. Auch schon Theodor Mundt, aus des-
sen Geschichte der Gesellschaft sich N. 1862 ein Exzerpt angefertigt hat (NL
1862, KGW I 2, 12A[6], 408-411), beschrieb in seiner Aesthetile die „Mythe vom
Schwanengesang" als volkstümliche Einsicht in das Wesen der Musik: „Das
Transcendentalspiel der Musik hat der Volksglaube schon von alten Zeiten her
in der rührenden Mythe vom Schwanengesang, bewußt oder unbewußt,
angedeutet. Der stille, von den Griechen dem Apollo geheiligte und mit Wahr-
sagerkraft begabte Schwan scheint zur Harmonie seines schönen Lebens, das
er in sanften und regelmäßigen Bewegungen auf der Welle hinbringt, nur der
tönenden Stimme zu ermangeln, um das Musikalische, das sein Wesen in sich
hat und das seinen weichen Mädchenhals schwellt, auszuathmen, aber erst im
Tode verleiht ihm die Sage den Gesang, und nur dem Sterbenden erst löst der
Gott die Zunge für die Melodie, so daß er zu sein aufhört, indem er zu singen
anfängt, und in der erlangten Musik sein Dasein verschwebt und hinübertönt.
Die Musik zu erreichen, scheint die Lebensaufgabe des Schwans zu sein [...].
/372/ [...] [E]ine eigentliche Tiefe der Bedeutung gewinnt die Sache nur in
Beziehung auf den sterbenden Schwan, und hier konnte man zweifeln, ob
Verherrlichung des Todes oder Verherrlichung der Musik ihr mythischer
Sinn sei. Nach unserer Ansicht /373/ Beides, denn der Schwanengesang, der
gleichnißweise auch ins menschliche Leben übergegangen und uns oft darin
gemahnt, ist einerseits der sanfte Hauch eines schönen Todes, welcher den
Inbegriff eines reinen unbefleckten Lebens als Gesang ausathmet und die zer-
streuten Accorde der Harmonie, die bisher nur vereinzelt das mangelhafte
Dasein umschwebten und lockten, nun zu einer ausklingenden Feiermelodie
der Vollendung zusammenfindet; anderseits ist er die zur Sprache des tiefsten
Lebensgeheimnisses geweihte Kraft der Musik, welche hier recht eigentlich als
die Transcendentalharmonie erscheint, indem an ihren Tönen sich ein Dasein
hinüberspielt in die jenseitige seelige Zukunft." (Mundt 1845, 371-373).
424, 1 Schwanengesang. —] MA II VM 171, KSA 2, 450, 23-31: „Schwanenge-
sang. — Die Musik ist eben nicht eine allgemeine, überzeitliche Sprache, wie
man so oft zu ihrer Ehre gesagt hat, sondern entspricht genau einem Gefühls-,
Wärme- und Zeitmaass, welches eine ganz bestimmte einzelne, zeitlich und
örtlich gebundene Cultur als inneres Gesetz in sich trägt: die Musik Palestrina's
würde für einen Griechen völlig unzugänglich sein, und wiederum — was
würde Palestrina bei der Musik Rossini's hören? —"
424, 2 unsre letzte Musik] MA II VM 171, KSA 2, 450, 31: „unsere neueste deut-
sche Musik".
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften