Stellenkommentar NW Apostel, KSA 6, S. 428-429 765
428, 23 f. dem Ungeheuren, allen Opiaten der Sinne und des Verstandes] JGB
256, KSA 5, 203, 4-14: „dem Ungeheuren, dem Krummen, dem Sieb-Widerspre-
chenden; als Menschen Tantalusse des Willens, heraufgekommene Plebejer,
welche sich im Leben und Schaffen eines vornehmen tempo, eines lento unfä-
hig wussten, — man denke zum Beispiel an Balzac — zügellose Arbeiter, bei-
nahe Selbst-Zerstörer durch Arbeit; Antinomisten und Aufrührer in den Sitten,
Ehrgeizige und Unersättliche ohne Gleichgewicht und Genuss; allesammt
zuletzt an dem christlichen Kreuze zerbrechend und niedersinkend (und das
mit Fug und Recht: denn wer von ihnen wäre tief und ursprünglich genug zu
einer Philosophie des Antichrist gewesen? —)".
428, 24-28 Im Ganzen eine verwegen-wagende, prachtvoll-gewaltsame, hoch-
fliegende und hoch emporreissende Art von Künstlern, welche ihrem Jahrhun-
dert — es ist das Jahrhundert der Masse — den Begriff „Künstler" erst zu lehren
hatte. Aber krank...] JGB 256, KSA 5, 203, 14-18: „im Ganzen eine verwegen-
wagende, prachtvoll-gewaltsame, hochfliegende und hoch emporreissende Art
höherer Menschen, welche ihrem Jahrhundert — und es ist das Jahrhundert
der Menge! — den Begriff ,höherer Mensch' erst zu lehren hatte." In der
Neufassung von NW scheint „höherer Mensch" wiederum ein Begriff zu sein,
den N., um Verwechslungsgefahr auszuschließen, für sich selbst reservieren
will und daher durch Künstler ersetzt. Die nachgeschobene, vereindeutigende
Diagnose: „Aber krank" fehlt in der Vorlage ganz.
Wagner als Apostel der Keuschheit.
429, 1 Wagner als Apostel der Keuschheit.] N. benutzt die Wendung „Apostel
der Keuschheit" nur noch ein einziges Mal in NL 1884, KSA 11, 26[383], 252,
13 f., und zwar in noch verschärfter Form gegen Philipp Mainländer, einen
„Apostel der unbedingten Keuschheit, gleich Richard Wagner". KSA 14, 706 ist
zu entnehmen, dass sich diese Aufzeichnung vermutlich auf ein Gespräch mit
Heinrich von Stein in Sils Maria zwischen dem 26. und 28. 08. 1884 bezieht.
Im religiösen Sprachgebrauch galt gelegentlich Paulus als „Apostel der Keusch-
heit" (so bei Blin 1858, 56; bei La Tour 1855, 1, 551: „l'apötre de la chastete").
Das Thema der Keuschheit, die Wagner propagiert habe, ist auch in WA sehr
präsent, vgl. z. B. NK KSA 6, 34, 32-35, 2 u. NK KSA 6, 17, 6-8.
1
Die Vorlage dieses Abschnitts ist JGB 256, KSA 5, 204, 17-29, d. h. das Ende
jenes Aphorismus, aus dem auch der zweite Teil von NW Wohin Wagner gehört
428, 23 f. dem Ungeheuren, allen Opiaten der Sinne und des Verstandes] JGB
256, KSA 5, 203, 4-14: „dem Ungeheuren, dem Krummen, dem Sieb-Widerspre-
chenden; als Menschen Tantalusse des Willens, heraufgekommene Plebejer,
welche sich im Leben und Schaffen eines vornehmen tempo, eines lento unfä-
hig wussten, — man denke zum Beispiel an Balzac — zügellose Arbeiter, bei-
nahe Selbst-Zerstörer durch Arbeit; Antinomisten und Aufrührer in den Sitten,
Ehrgeizige und Unersättliche ohne Gleichgewicht und Genuss; allesammt
zuletzt an dem christlichen Kreuze zerbrechend und niedersinkend (und das
mit Fug und Recht: denn wer von ihnen wäre tief und ursprünglich genug zu
einer Philosophie des Antichrist gewesen? —)".
428, 24-28 Im Ganzen eine verwegen-wagende, prachtvoll-gewaltsame, hoch-
fliegende und hoch emporreissende Art von Künstlern, welche ihrem Jahrhun-
dert — es ist das Jahrhundert der Masse — den Begriff „Künstler" erst zu lehren
hatte. Aber krank...] JGB 256, KSA 5, 203, 14-18: „im Ganzen eine verwegen-
wagende, prachtvoll-gewaltsame, hochfliegende und hoch emporreissende Art
höherer Menschen, welche ihrem Jahrhundert — und es ist das Jahrhundert
der Menge! — den Begriff ,höherer Mensch' erst zu lehren hatte." In der
Neufassung von NW scheint „höherer Mensch" wiederum ein Begriff zu sein,
den N., um Verwechslungsgefahr auszuschließen, für sich selbst reservieren
will und daher durch Künstler ersetzt. Die nachgeschobene, vereindeutigende
Diagnose: „Aber krank" fehlt in der Vorlage ganz.
Wagner als Apostel der Keuschheit.
429, 1 Wagner als Apostel der Keuschheit.] N. benutzt die Wendung „Apostel
der Keuschheit" nur noch ein einziges Mal in NL 1884, KSA 11, 26[383], 252,
13 f., und zwar in noch verschärfter Form gegen Philipp Mainländer, einen
„Apostel der unbedingten Keuschheit, gleich Richard Wagner". KSA 14, 706 ist
zu entnehmen, dass sich diese Aufzeichnung vermutlich auf ein Gespräch mit
Heinrich von Stein in Sils Maria zwischen dem 26. und 28. 08. 1884 bezieht.
Im religiösen Sprachgebrauch galt gelegentlich Paulus als „Apostel der Keusch-
heit" (so bei Blin 1858, 56; bei La Tour 1855, 1, 551: „l'apötre de la chastete").
Das Thema der Keuschheit, die Wagner propagiert habe, ist auch in WA sehr
präsent, vgl. z. B. NK KSA 6, 34, 32-35, 2 u. NK KSA 6, 17, 6-8.
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Die Vorlage dieses Abschnitts ist JGB 256, KSA 5, 204, 17-29, d. h. das Ende
jenes Aphorismus, aus dem auch der zweite Teil von NW Wohin Wagner gehört