Metadaten

Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Pöschl, Viktor [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 2. Abhandlung): Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom: ein historisches Monument der Antike ; vorgetragen am 9. Dezember 1989 ; Viktor Pöschl zum 80. Geburtstag gewidmet — Heidelberg: Winter, 1990

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48160#0093
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom

91

ist die jeweils andere Hälfte der sekundären Inschriftfelder intakt. Au-
ßerdem traf die Glättung zweifellos nur die beschrifteten Felder und
nicht die jeweilige Gesamtfläche des Obelisken. Die Kanten auf der
heutigen Südseite weisen nämlich in der Höhe der Inschriftfelder eine
auch mit bloßem Auge erkennbare kleine Delle auf (Taf. XII 2), die
dadurch entstanden sein muß, daß der Obelisk in der Höhe der Inschrift
infolge der Glättung etwas schmaler geworden ist als unmittelbar dar-
über und darunter.
Die partielle Glättung der Inschriftfelder wurde also mit Absicht vor-
genommen. Nach E. Iversen habe kein anderer als Caligula die Vernich-
tung der sekundären Inschrift angeordnet, da er in Tiberius den Mörder
seiner Mutter Agrippina erblickte; man habe dann tatsächlich damit be-
gonnen, die Inschrift zu tilgen, doch nach dem plötzlichen Tod Caligulas
im Jahre 41 mit dieser Arbeit aufgehört.2,)y A. Degrassi hielt diese Hypo-
these zu Recht für kaum wahrscheinlich.2111 Wir müssen sie aber noch
entschiedener zurückweisen, und zwar nicht nur deshalb, weil die Glät-
tung des gesamten Textes der beiden Inschriften, hätte man diese tat-
sächlich tilgen wollen, innerhalb kürzester Zeit, in wenigen Tagen oder
vielleicht innerhalb eines Tages, durchführbar gewesen wäre. Unbe-
schadet seiner persönlichen Gefühle gegenüber seinem Vorgänger zu-
mindest zu Beginn seiner Regierungszeit ließ Caligula den Namen des
Tiberius sonst in keiner einzigen Urkunde auslöschen. Vor allem aber ist
es völlig undenkbar, daß er den Befehl erteilt habe, in einem solchen
Dokument den Namen des Divus Augustus, seines Urgroßvaters, den er
durch seine Münzprägung verherrlichte,209 210 211 zu eradieren. Dennoch ist
der Name des Augustus in beiden Fassungen des Textes ebenso (auf der
Ostseite weniger, auf der Westseite stärker) beschädigt wie derjenige
seines Nachfolgers.
Im Altertum ist überhaupt kein politischer Vorgang denkbar, der An-
laß gegeben hätte, die Inschrift des Vatikan-Obelisken mit dem Namen
des Divus Augustus zu vernichten - weder unter Caligula noch zuvor, als
der Obelisk in Ägypten gestanden hatte, noch danach, als das Monu-
ment den Vatikanischen Zirkus schmückte. Dieser Zirkus wurde zwar
gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. als Platz für Spiele aufgegeben,
209 E. Iversen, Journ. of Egypt. Arch. 51, 1965, 153; ders., Obelisks in Exile I 22. Vgl.
auch A. E. Gordon, Latin Epigraphy 110; J. H. Humphrey, Roman Circuses 549.
210 A. Degrassi, Acta of the Fifth Internat. Congr. of Greek and Latin Epigraphy 156 -
Scritti vari IV 44.
211 H. Volkmann, Gymnasium 74, 1967, 507 mit weiterer Literatur.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften