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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 3. Abhandlung): Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz ; vorgetragen am 27. Oktober 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48163#0029
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Kunstwerk und Nation

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Legalität der Schenkung, die man nicht mit dem Raub der Kunstschätze
durch die Franzosen vergleichen könne, der längere Fluß der Zeit, die
Rechtssicherheit, die Bedeutung der Bibliothek nicht nur für die Kirche,
sondern für das „principato“, also den römischen Staat. Nur an einer
Stelle erlag Pius VII. den neu sich bildenden Rechtsüberzeugungen. Er
ordnete an, daß weitere 847 deutsche Handschriften nach Heidelberg
zurückkehren sollten:
„Prova ora un egual sentimento per i manoscritti e codici ris-
guardanti la scienza nazionale.“85
[Er beweist jetzt ein gleiches Gefühl für die Manuskripte und Codices,
welche die nationale Wissenschaft betreffen.]
So sehr hatte sich also damals die Rechtsüberzeugung von der natio-
nalen Heimat gewisser Kulturgüter verdichtet, daß Pius VII. - mögli-
cherweise unter Canovas Einfluß - hier nachgab. Prorektor Wilken
nahm dieses nationale Argument auf, und es gelang ihm, fünf weitere
lateinische Codices, welche für die deutsche Literatur - und insbeson-
dere für die Heidelberger Lokalgeschichte - einen besonderen Wert hat-
ten, dem Vatikan zu entlocken.86 Die anderen Werke blieben in Rom
zurück und fanden erst 1986 zur 600-Jahr-Feier der Universität Heidel-
berg vorübergehend in der Heiliggeistkirche wieder ihren angestamm-
ten Platz. Heute im Zeitalter der Reproduktionen und Mikrofilme ist
die Lage bei Büchern allerdings nahezu völlig entschärft. Für unseren
Zusammenhang ist wichtig: Die Zuordnung an eine Nation geschah da-
mals bei den Handschriften vor allem durch die dort verwendete Spra-
che.
85 Zitiert nach Wilken, oben Note 78, S. 255 oben. Das Echo auf die Rückkehr dieser
Handschriften war groß. Goethe, Heidelberg (in: Schriften zur Kunst, Zürich 1954, S.
676ff., 707f.) schreibt: „Höchsterfreulich und bedeutend muß es uns nun sein, am
Ende dieses Heftes noch die Nachricht einzurücken, daß auf allerhöchste Verwendung
Ihro Majestäten des Kaisers von Österreich, und Königs von Preußen, Seine päpstli-
che Heiligkeit der Universität Heidelberg nicht nur die in Paris gefundenen Werke aus
der ehemaligen pfälzischen Bibliothek überlassen, sondern nebst diesen noch achthun-
dertsiebenundvierzig aus eben dieser Sammlung herrührende Bände, welche sich noch
in der vatikanischen Bibliothek befinden, zurückzugeben befohlen haben. Jeder Deut-
sche fühlt den Wert dieser Gabe zu sehr, als daß wir noch etwas Weiteres hinzusetzen
dürften. Nur die Betrachtung sei uns vergönnt, wieviel Wünsche der Deutschen sind
nicht erfüllt worden, seitdem den Reisenden die freudige Nachricht der Wiederkehr
des Schutzpatrons von Köln zum erstenmal entgegen kam.“
86 Wilken, oben Note 78, S. 260ff.
 
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