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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0056
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Wolfgang Raible

Solche Transkriptionsprozesse werden von Enzymen gesteuert,
die ihrerseits Produkte von Ablese- und Transkriptionsprozessen
sind. In der Grammatik der Biologie, die sich abzuzeichnen beginnt,
sind sie das Komplement bzw. der Haupt-Adressat der metakom-
munikativen Signale. Ihre Funktion wird aus den oben in 2.3-2.5
gegebenen Informationen verständlich. Enzyme sind komplexe
Proteine mit einer ganz spezifischen Raumstruktur. Sie bestehen
selbst meist aus zwei oder mehr Komponenten („Co-Enzyme“), die
zusammenkommen müssen, damit das Enzym als Ganzes arbeits-
fähig wird. Sie weisen eine bestimmte Zahl von Anschlußstellen
auf, in die andere Proteine passen. Sind diese Anschlußstellen
besetzt, so verändert das Enzym in aller Regel seine eigene Raum-
struktur und bekommt dadurch genau die Form, die es braucht,
damit es bestimmte Prozesse katalysieren kann.
Solche komplexen Enzyme sind damit ohne weiteres beschreib-
bar als wenn-dann-Strukturen: „Wenn A und B und (C oder D) und
nicht E, dann [tue] F“53. Wenn z.B. eine Anschlußstelle für einen
„enhancer“ am genetischen Lochstreifen vorhanden und durch ein
entsprechendes Protein besetzt ist, ist die damit erreichte Paßform
des ganzen Enzymkomplexes u.U. so gut, daß der Prozeß besonders
rasch und häufig durchgeführt werden kann.
Enzyme verkörpern damit so etwas wie Logik-Bausteine in
einem Schaltkreis. Es lassen sich alle möglichen Arten von Schal-
tungen mit ihnen realisieren: solche, die sich sofort abschalten,
wenn ein bestimmtes Protein vorhanden oder erzeugt ist, solche die
sich gerade erst dann einschalten, wenn ein bestimmtes Protein vor-
handen ist etc. Die ganzen Funktionen der Booleschen Algebra,
deren Umsetzung in Schaltkreise die elektronischen Rechner mög-
lich gemacht hat, sind damit zu realisieren54. So erklärt es sich, daß
Enzyme zunehmend mit „sloppy Computers“ verglichen werden -
das Epitheton „sloppy“ ist deshalb nötig, weil diese Prozesse bei
aller ihnen innewohnenden Logik enorm „elastisch“ sind.
Interessanterweise scheinen die Mikrobiologen derzeit vor
allem auf den genetischen Code und seine Transkripte im allgemei-
nen fixiert zu sein, weniger dagegen auf die Enzyme und damit auf
solche Transkripte, die, unter „Interpretation“ der gesetzten meta-
kommunikativen Signale, diesen Code selektiv in mRNS und damit
53 Die Buchstaben A-E stehen dabei für die Besetzung (oder Nicht-Besetzung)
von Anschlußstellen durch spezifische Protein-Signale, F für das Ergebnis.
54 Also: AND, NAND, OR, NOR, XOR, NOT.
 
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