Nr. 6
Gutachten zum ius reformandi der Reichsstädte
Ob die freien und Reichsstädte auch Recht haben
[r539?]
Einleitung
i. Entstehung und Inhalt
Während der Straßburger Reformator sich im vorigen Bedenken zumindest indi-
rekt an bischöfliche Territorialherren wendet, um ihnen eine Trennung von geistli-
chen und weltlichen Aufgaben nahezulegen, sind im folgenden Gutachten, dessen
Entstehungsumstände im Dunkeln liegen, die evangelischen Reichsstädte seine spe-
zifischen Adressaten. Ziel der Schrift ist es, diese Städte zu einem selbstbewußten
Auftreten gerade gegenüber altgläubigen Bischöfen zu ermuntern. Als zuständige
weltliche Obrigkeit vor Ort gebührt nach Ansicht Bucers der städtischen Obrigkeit
die cura religionis der gesamten Stadt und somit das volle Recht, die dem Bischof
bisher unterstehenden, sich im Stadtgebiet befindenden Kirchen, Stifte und Klöster
zu reformieren und deren Kirchengüter im evangelischen Sinne zu verwenden.1
Ausführlicher als in früheren Gutachten äußert sich Bucer zu der Hierarchie von
Ämtern, die er für eine Kirche, die sich zu Recht vom Kirchengut unterhält, voraus-
setzt. Richtschnur des Dienstes aller, vom Bischof bis zum Ostiarier, bleibt die Ge-
währleistung der Seelsorge in der Pfarrgemeinde vor Ort.
Darüber hinaus betont Bucer die besondere Eignung der städtischen Magistrate,
für die Reformation der in ihrem Gebiet gelegenen Kirchen zu sorgen, da sie, anders
als die alleinherrschenden Territorialfürsten, korporativ verfaßte Herrschaftsgre-
mien darstellen.
Das Thema der Kirchengüter dient Bucer als Anlaß, den evangelischen Reichs-
städten ein breitangelegtes, umfassendes Gutachten zum reformatorischen Vorge-
hen und zur Kirchenorganisation zu präsentieren.
Die Schrift weist folgende Gliederung auf:
I. Historischer Rückblick auf die unterschiedlichen Kirchen und ihre Ämter
[362r-366r]
A. Bischofskirchen:
1. Bischof und Domherren haben nicht nur die Gemeinde vor Ort, sondern
auch alle Kirchengemeinden eines Bistums seelsorgerlich zu betreuen
[362r/v].
2. Bischof und Domherren haben Residenzpflicht [362^].
1. Vgl. hierzu unten S. 191, Anm. 2.
Gutachten zum ius reformandi der Reichsstädte
Ob die freien und Reichsstädte auch Recht haben
[r539?]
Einleitung
i. Entstehung und Inhalt
Während der Straßburger Reformator sich im vorigen Bedenken zumindest indi-
rekt an bischöfliche Territorialherren wendet, um ihnen eine Trennung von geistli-
chen und weltlichen Aufgaben nahezulegen, sind im folgenden Gutachten, dessen
Entstehungsumstände im Dunkeln liegen, die evangelischen Reichsstädte seine spe-
zifischen Adressaten. Ziel der Schrift ist es, diese Städte zu einem selbstbewußten
Auftreten gerade gegenüber altgläubigen Bischöfen zu ermuntern. Als zuständige
weltliche Obrigkeit vor Ort gebührt nach Ansicht Bucers der städtischen Obrigkeit
die cura religionis der gesamten Stadt und somit das volle Recht, die dem Bischof
bisher unterstehenden, sich im Stadtgebiet befindenden Kirchen, Stifte und Klöster
zu reformieren und deren Kirchengüter im evangelischen Sinne zu verwenden.1
Ausführlicher als in früheren Gutachten äußert sich Bucer zu der Hierarchie von
Ämtern, die er für eine Kirche, die sich zu Recht vom Kirchengut unterhält, voraus-
setzt. Richtschnur des Dienstes aller, vom Bischof bis zum Ostiarier, bleibt die Ge-
währleistung der Seelsorge in der Pfarrgemeinde vor Ort.
Darüber hinaus betont Bucer die besondere Eignung der städtischen Magistrate,
für die Reformation der in ihrem Gebiet gelegenen Kirchen zu sorgen, da sie, anders
als die alleinherrschenden Territorialfürsten, korporativ verfaßte Herrschaftsgre-
mien darstellen.
Das Thema der Kirchengüter dient Bucer als Anlaß, den evangelischen Reichs-
städten ein breitangelegtes, umfassendes Gutachten zum reformatorischen Vorge-
hen und zur Kirchenorganisation zu präsentieren.
Die Schrift weist folgende Gliederung auf:
I. Historischer Rückblick auf die unterschiedlichen Kirchen und ihre Ämter
[362r-366r]
A. Bischofskirchen:
1. Bischof und Domherren haben nicht nur die Gemeinde vor Ort, sondern
auch alle Kirchengemeinden eines Bistums seelsorgerlich zu betreuen
[362r/v].
2. Bischof und Domherren haben Residenzpflicht [362^].
1. Vgl. hierzu unten S. 191, Anm. 2.