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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]; Haaf, Susanne [Oth.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 15): Schriften zur Reichsreligionspolitik der Jahre 1545/1546 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30652#0316
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312 6. BUCER AN DIE DREIZEHN ZU STRASSBURG UND AN PHILIPP VON HESSEN

vmb seins lieben sons willen, den wir bekennen I <)v I vnd anruffen, auch genedig
sein.b
Die Hertzogen Ott Heinrichschen1 haben die vergangen tage einen Landtage ge-
halten,2 vff dem inen von Beyeren merglicher3 widerstandt begegnet auß dem,
das4 sie die guten leutlinc von Stetlinen vnd merkten5 haben durch etliche große
vnd von inen bestochene Landtsaßen6 lassen der Religion halben grewlich er-
schrecken, als ob sie derhalben schweren kriege zuerwarten hattend. Da durch die
guten leut ein weyl7 eer haben wollen bewilligen in verkauffung des Lands,8 dan
das sie das woltenn mit der Religion behalten. Jedoch, so hat Gott gnad gegeben vnd
besonders durch die pfaltzgreuischen gesandten, welche alle gar wol am gottes wort
b) In der Vorlage steht kein Absatz.
e) bxb2; Schrf.: Lentlin: a.
d) hetten: bjb2.

1. Ottheinrich von der Pfalz (1502—1559). Zusammen mit seinem Bruder Philipp regierte er ab
1522 als Pfalzgraf und Herzog des 1505 neu gegründeten Fürstentums Pfalz-Neuburg (»Junge
Pfalz«). 1535 kam es vorübergehend zur Nutzteilung des Landes zwischen den Brüdern, 1541 trat
Philipp seinen Teil (die Gebiete um Burglengenfeld) ganz an Ottheinrich ab, der ein Jahr später m
Pfalz-Neuburg die Reformation einführte. 1544 übergab Ottheinrich aufgrund finanzieller Nöte
die Regierung an die Stände und verließ das Land. Zwei Jahre später, 1546, eroberten und rekatholi-
sierten die kaiserlichen Truppen Pfalz-Neuburg. Ottheinrich erhielt erst 1552 das Land zurück und
führte erneut die Reformation ein. Nachdem er 1556 pfälzischer Kurfürst geworden war, überließ
er Pfalz-Neuburg seinem Vetter Wolfgang von Zweibrücken. Vgl. Cramer-Fürtig, Finanzkrise und
Staatsbankrott, S. 109L; Nadler, Pfalz-Neuburg.
2. Gemeint ist die 36. pfalz-neuburgische Ständetagung, die vom 7. bis zum 15. Januar 1546 m
Burglengenfeld zusammentrat; vgl. Cramer-Fürtig, Landesherr und Landstände, S.293—296.
3. bemerkenswerter; beachthcher.
4. auß dem, das: darum, daß. Vgl. Frühneuhochdt. WB 2, Sp. 886.
5. Die Landstandschaft im Fürstentum Pfalz-Neuburg umfaßte 11 Städte und 14 Märkte. Auf
der 36. Ständetagung waren außer den Landsassen 10 Vertreter der Städte und 12 Vertreter der
Märkte anwesend. Vgl. Cramer-Fürtig, Landesherr und Landstände, S. 296, 350.
6. Mit dem Begriff >Landsassen< wurde zunächst die Adelskurie Pfalz-Neuburgs bezeichnet. Ihr
gehörten aber zunehmend auch nichtadlige Vertreter an; vgl. Cramer-Fürtig, Landesherr und Land-
stände, S. 327 Anm. 2. Insgesamt nahmen 113 Landsassen an der 36. Ständetagung teil; vgl.
ebd. S. 296.
7. ein weyl: eine Zeitlang. Lexer 3, Sp. 887.
8. Ottheinrich war stark verschuldet und hatte zudem 1541 bei der Rücknahme des über 6 Jahre
von seinem Bruder Philipp verwalteten Teils von Pfalz-Neuburg eine Schuldenlast von etwa
400.000 Gulden mit übernommen, nachdem Bayern ein Darlehen von 200.000 Gulden versprochen
hatte. Doch Bayern zog sich zurück, nachdem Ottheinrich 1542 die Reformation m Pfalz-Neuburg
eingeführt hatte. Da das Fürstentum Pfalz-Neuburg Mitte 1544 mit mehr als einer Million Gulden
verschuldet war, stand der Verkauf zur Debatte. Statt dessen wurde jedoch eine Alternativlösung
gewählt: Die Stände übernahmen sämthche Zahlungsverpflichtungen Ottheinrichs und für den
Zeitraum der Entschuldung auch die Regierung und Verwaltung des Fürstentums. Vgl. Cramer-
Fürtig, Finanzkrise und Staatsbankrott, S. 110—112; ders., Landesherr und Landstände, S. 322 f.; s.
auch oben Anm. 1. Bucer bezieht sich hier wohl auf die Verhandlungen im Ständeausschuß der
36. Ständetagung 1546, der aus 9 Adligen und 6 Vertretern der Städte bestand. Dieser beschloß, daß
das ganze Land Pfalz-Neuburg veräußert werden sollte; vgl. Cramer-Fürtig, Landesherr und Land-
stände, S. 294, 296; s. außerdem oben Anm. 2 und 5 und unten S. 313 Anm. 5.
 
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