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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0206

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ZUR AUSWÄRTIGEN WIRKSAMKEIT 1528—1533

»Wo sich aber der gfallen an solche straff und warnung nit keren wolt,
söllen in der gemelten diener zwen oder drey warnen und erstlich
Christlichs lebens eygenschaft sampt dem gericht Gottes auch der
kirchen fürhalten ... Und so er durch den teufel so gar geblendet (da vor
Got ain yeden Christen gnedigklich bewaren wöll), das an im auch
diß nichts helffen wölt, söllen ain solchen die diener christlicher zucht,
als der numeh außzuschliessen und von Christlicher gmain gar hinzu-
werffen und zu verstossen ist, uns aynem Rath anzaigen, domit er durch
denselbigen eintweders mit zeytlicher straff gezüchtigt und in sein selb
erkantnus gebracht oder aber der Statt verwisen, oder, so hierauß mer
bösserung verhofft, durch den diener des worts (wie aber yeder zeyt zu
unserm willen und gefallen stehen soll) von offner Cantzel als ainer, der
die krafft Christlichs lebens verleugknet und von Christo wider zum
teufel gefallen ist (auß unserm haissen und bevelch) außgerufft und von
christlicher gmain verstossen und außgeschlossen werd ...«85
Damit ist auch in Ulm der Gedanke einer innergemeindlichen eigen-
ständigen Kirchenzucht mit der Ulmer Kirchenordnung nicht zur Ver-
wirklichung gekommen. Martin Bucer ist mit seinem Anliegen, das er
schon in Straßburg nicht realisieren konnte, auch in Ulm gegen den
Widerstand des Rates nicht durchgedrungen. Erst in Hessen später hat
Bucer im Jahre 1538/39 mit der Kasseler Kirchenordnung und der Ziegenhainer
Zuchtordnung die Idee einer innergemeindlichen Zucht in die Praxis umsetzen
können86.
In Hessen hat Bucer mit der Ziegenhainer Zuchtordnung und der
Kasseler Kirchenordnung des gleichen Jahres (in der er u. a. erstmals die
Konfirmation einführte) der drohenden Täufergefahr dort Einhalt ge-
boten, indem mit einem der vordringlichsten Anliegen der Täufer, der
Verwirklichung von Heiligkeitsgemeinden, nun im Rahmen der evan-
gelischen Gemeinden Ernst gemacht wurde. In Straßburg und auch in
Ulm ist man demgegenüber während der ganzen Reformationszeit über
die Täufergruppen nie ganz Herr geworden87.
Wie sich aus Bucers Äußerungen zur Frage innergemeindlicher Zucht schon
während der 20er Jahre erkennen läßt, ist ihm dieses Anliegen einer evangelischen
Kirchenordnung nicht erst aus der Täufergefahr zugewachsen, sondern es stellt ein
grundsätzliches Element seiner Theologie dar, das aufs engste mit seinem Sakra-
mentsverständnis verbunden ist und als konstitutiv für seinen Kirchenbegriff an-
gesehen werden muß88. In dieser theologischen Zentralfrage hat Bucer mit
seinen Mitarbeitern in Ulm keine Übereinstimmung zwischen Theorie
85. Vgl. unten den Abdruck der Kirchenordnung bei Blatt D4b.
86. Vgl. oben die Angaben in Anm. 5.
87. Vgl. oben die Angaben in Anm. 36 und 38.
88. Vgl. E.-W.Kohls: Blarer und Bucer. Der Konstanzer Reformator Ambrosius
Blarer 1492-1564, a.a.O. S. 172ff., bes.S.179.
 
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