MARBURGER RELIGIONSGESPRÄCHE
327
3.Oktober der Versuch der Verständigung über das Abendmahl zwi-
schen den Schweizern und Wittenbergern offenkundig gescheitert ist,
drängt Jakob Sturm darauf, wenigstens die Übereinstimmung der Straß-
burger Theologie in den sonstigen Lehrpunkten mit den Lutheranern
festzuhalten. Sein Bestreben hierbei ist fraglos, Straßburg auch weiterhin
die Möglichkeit für seine bis dahin geübte politisch-theologische Ver-
mittlerrolle offenzuhalten. In diesem Sinne erläutert Bucer sogleich den
Konsens der Straßburger Verkündigung mit der Wittenberger Theolo-
gie; freilich insofern vergeblich, als Luther sich weigert, diesen Aus-
führungen seine Zustimmung zu erteilen23. Bucer hat am Tage darauf in
Privatgesprächen weiterhin versucht, die Rechtgläubigkeit der Straß-
burger Predigt darzulegen - u.a. gegenüber Justus Jonas24. Auch Hedio
hat in diesem Sinne mit Luther geredet25.
Aber Bucer hat dann doch noch einen Versuch unternommen, auch
in der Abendmahlsfrage weiterzukommen. Wahrscheinlich am Abend
des 3.Oktober war von lutherischer Seite eine Unionsformel vorgelegt
worden, die ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Schweizern
und Oberdeutschen bedeutete26. Am Vormittag des 4. Oktober trafen
sich Osiander, Brenz und Bucer zu einem Gespräch. In dem Bericht
Osianders hierüber - der freilich eine schroff antizwinglische Haltung
offenbart - heißt es, man wäre dabei zu einer weitreichenden Einigung
mit Bucer gekommen: »Aber Butzer, als er zu seinen gesellen kam,
redeten sy In daruon, vnnd fiel wider ab«27. Diese Information fügt sich
jedenfalls gut in das Gesamtbild der Situation ein: der lutherische
Unionsvorschlag kam nicht nur Bucers Drängen auf Verständigung ent-
gegen, sondern stellte sich ihm auch als eine echte Gesprächsmöglichkeit
aufgrund seiner eigenen theologischen Überzeugung dar. Umgekehrt
jedoch reichte sein Einfluß nicht aus, auch die Schweizer auf diese Linie
zu bringen. Da es aber um sie und ihre Verständigung mit Luther und
Marburger Religionsgespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion. Leipzig 1929;
G. May: Das Marburger Religionsgespräch 1529, Gütersloh 1970 (Texte zur Kirchen-
und Theologiegeschichte, 13). Über die in Anm. 1 genannte Literatur hinaus vgl. noch
H. Köditz: Die gesellschaftlichen Ursachen des Scheiterns des Marburger Religions-
gesprächs vom 1.-4.Oktober 1529, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2 (1954),
S. 37-70; W. Elert: Luther in Marburg. Eine Säkularbetrachtung, in: Zeitwende 5
(1929), S. 315-324; W. Köhler: Das Religionsgespräch zu Marburg 1529, in: Zwingliana 5
(1930), S.81-102; ders.: Zum Religionsgespräch von Marburg 1529, in: Festgabe für
Gerold Meyer von Knonau, Zürich 1913,S.359-381; W.H.Neuser: Eine unbekannte
Unionsformel Melanchthons vom Marburger Religionsgespräch 1529, in: Theolo-
gische Zeitschrift 21 (1965), S. 181-199.
23. Siehe dazu unten, S. 350 sowie S. 352 und S. 354.
24. So J. Jonas an Reiffenstein, CR I, Sp. 1097 (4. X. 1529).
25. Siehe dazu unten, S. 330.
26. Siehe unten, S. 358 f.
27. Siehe unten, S. 356.
327
3.Oktober der Versuch der Verständigung über das Abendmahl zwi-
schen den Schweizern und Wittenbergern offenkundig gescheitert ist,
drängt Jakob Sturm darauf, wenigstens die Übereinstimmung der Straß-
burger Theologie in den sonstigen Lehrpunkten mit den Lutheranern
festzuhalten. Sein Bestreben hierbei ist fraglos, Straßburg auch weiterhin
die Möglichkeit für seine bis dahin geübte politisch-theologische Ver-
mittlerrolle offenzuhalten. In diesem Sinne erläutert Bucer sogleich den
Konsens der Straßburger Verkündigung mit der Wittenberger Theolo-
gie; freilich insofern vergeblich, als Luther sich weigert, diesen Aus-
führungen seine Zustimmung zu erteilen23. Bucer hat am Tage darauf in
Privatgesprächen weiterhin versucht, die Rechtgläubigkeit der Straß-
burger Predigt darzulegen - u.a. gegenüber Justus Jonas24. Auch Hedio
hat in diesem Sinne mit Luther geredet25.
Aber Bucer hat dann doch noch einen Versuch unternommen, auch
in der Abendmahlsfrage weiterzukommen. Wahrscheinlich am Abend
des 3.Oktober war von lutherischer Seite eine Unionsformel vorgelegt
worden, die ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Schweizern
und Oberdeutschen bedeutete26. Am Vormittag des 4. Oktober trafen
sich Osiander, Brenz und Bucer zu einem Gespräch. In dem Bericht
Osianders hierüber - der freilich eine schroff antizwinglische Haltung
offenbart - heißt es, man wäre dabei zu einer weitreichenden Einigung
mit Bucer gekommen: »Aber Butzer, als er zu seinen gesellen kam,
redeten sy In daruon, vnnd fiel wider ab«27. Diese Information fügt sich
jedenfalls gut in das Gesamtbild der Situation ein: der lutherische
Unionsvorschlag kam nicht nur Bucers Drängen auf Verständigung ent-
gegen, sondern stellte sich ihm auch als eine echte Gesprächsmöglichkeit
aufgrund seiner eigenen theologischen Überzeugung dar. Umgekehrt
jedoch reichte sein Einfluß nicht aus, auch die Schweizer auf diese Linie
zu bringen. Da es aber um sie und ihre Verständigung mit Luther und
Marburger Religionsgespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion. Leipzig 1929;
G. May: Das Marburger Religionsgespräch 1529, Gütersloh 1970 (Texte zur Kirchen-
und Theologiegeschichte, 13). Über die in Anm. 1 genannte Literatur hinaus vgl. noch
H. Köditz: Die gesellschaftlichen Ursachen des Scheiterns des Marburger Religions-
gesprächs vom 1.-4.Oktober 1529, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2 (1954),
S. 37-70; W. Elert: Luther in Marburg. Eine Säkularbetrachtung, in: Zeitwende 5
(1929), S. 315-324; W. Köhler: Das Religionsgespräch zu Marburg 1529, in: Zwingliana 5
(1930), S.81-102; ders.: Zum Religionsgespräch von Marburg 1529, in: Festgabe für
Gerold Meyer von Knonau, Zürich 1913,S.359-381; W.H.Neuser: Eine unbekannte
Unionsformel Melanchthons vom Marburger Religionsgespräch 1529, in: Theolo-
gische Zeitschrift 21 (1965), S. 181-199.
23. Siehe dazu unten, S. 350 sowie S. 352 und S. 354.
24. So J. Jonas an Reiffenstein, CR I, Sp. 1097 (4. X. 1529).
25. Siehe dazu unten, S. 330.
26. Siehe unten, S. 358 f.
27. Siehe unten, S. 356.