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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0048
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OBRIGKEITSSCHRIFTEN

Bucer weist dann auf die Gespräche hin, denen er ein besonderes Gewicht beimißt:
auf das sechste, das zeigen soll, wie alle Bischöfe und Kleriker der weltlichen Obrigkeit
mit Leib und Leben unterworfen sind; auf das siebte, das den Nachweis führt, daß die
Obrigkeit sich der Religion annehmen und falsche Lehre sowie verkehrte Zeremonien
beseitigen müsse; auf das dritte und achte, in denen die Grenzen dieses Handelns der
Obrigkeit abgesteckt werden; und auf das vierte und neunte, welche deutlich machen,
daß die »underen oberen«, also der Rat von Augsburg, auch gegen den »Oberen
obern«, d. h. den Kaiser, kirchliche Reformen durchsetzen können16.
Am Eingang der Dialoge werden die drei Gesprächspartner vorgestellt: Hartmut,
Fridlieb und Sinnprecht. Die beiden ersten vertreten sachlich den gleichen Stand-
punkt, unterscheiden sich jedoch nach Bildungsstand und Temperament. Ihr gemein-
samer Gegner, im Bildungsgrad mit Fridlieb weithin übereinstimmend, ist Sinnprecht.
So werden die Dialoge wesentlich zwischen Fridlieb und Sinnprecht geführt. Hartmut,
von religiösem Enthusiasmus erfüllt, vertritt Zwinglis Lehre. Sinnprecht bewegt sich
in seinen Anschauungen in der Mitte zwischen Evangelischen und Katholiken und ist
wesentlich von Sebastian Franck beeinflußt. Fridlieb ist der Meister im Disputieren, er
trägt die Züge Bucers und spielt den Vermittler zwischen Hartmut und Sinnprecht.

y. Die Lehre von der Obrigkeit
Die »Dialogi« sind die erste Zusammenfassung der Gedanken Bucers über das Problem
von Obrigkeit und Kirche, wie sie sich schon in seinen früheren Schriften hier und da
finden17. Dabei treten die verschiedenen Einflüsse, von denen er abhängig ist, deutlich
hervor. Als ehemaliger Dominikaner ist er von Thomas von Aquino, als Humanist
von der Antike beeinflußt, wie sie geistig in Desiderius Erasmus, juristisch im byzanti-
nischen Kaiserrecht und im kanonischen Recht, vor allem im Decretum Gratiani, ihren
Niederschlag gefunden hat. Schließlich findet sich auch eine starke Abhängigkeit von
Luther18.
Der thomistische und humanistische Einfluß läßt Bucer in der Frage nach Obrigkeit
und Kirche seinen Ausgangspunkt im Naturrecht nehmen, welches konstitutiv in der
natürlichen Religion begründet ist. Bucer bemerkt: »Derhalben Religio de jure naturae
humanae gehalten worden ist, quia de jure gentium19. Dann kaine völcker so vihisch
und unaertig sein, bey denen nit allweg ain eüsserer Gottes dienst gewesen saye.«20
Bucer definiert daher mit Cicero21 die Religion als »Cura ceremoniaque naturae supe-
rioris«22 und leitet sie etymologisch falsch von relegit23 ab. Wo keine Religion ist, gibt
16. Vgl. oben »Vom Ampt der oberkait«, S. 30, Anm. 34.
17. Vgl. BDS 1, S. 37 f£. 5 5 ff.; Lang, S. 186.
18. Vgl. M. Greschat: Der Ansatz der Theologie Martin Bucers. In: ThLZ 103,2. 1978.
Sp. 81—96.
19. Dial. 3, D 1 b, S. 67h
20. Ebd.
21. Cicero: De natura deorum 2, 28. 22. Dial. 7, L4E S. 113.
23. Dial. 2, B 4b, S. 60.
 
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