Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0049
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DIALOGI

45

es kein »recht menschlich ehrbar leben«, keinen Glauben, keine Treue und Gerechtig-
keit24. Mehrfach betont Bucer dann, daß alle Völker gemäß natürlicher Religion
gottesdienstliche Einrichtungen haben, welche durch das Naturrecht geschützt sind.
Alle berühmten Gesetzgeber und »ansteller rechter policeyen«, wie Platon, Xenophon,
Aristoteles und Cicero, haben es als ihre vornehmste Aufgabe betrachtet, religiöse
Ordnungen aufzustellen. Darum ist auch nicht jeder heidnische Gottesdienst Abgötte-
rei gewesen; denn die Philosophen und Poeten haben den rechten Gottesdienst erkannt
und im Grunde den Monotheismus und die Ethik des Christentums gelehrt. Dies sei
bei Platon und anderen so deutlich, daß bei ihnen offenbar wird, wie sich Gott in der
Welt nie unbezeugt gelassen habe25. Darum gibt es Zeremonien und äußerlichen
Gottesdienst bei allen Völkern. In alledem komme zum Ausdruck, welch hohe göttli-
che Gaben Natur und Vernunft sind. Die Natur ist das göttliche Licht, welches Gott
allen Menschen »einleuchten« läßt und je und je hat »einleuchten« lassen26. Dies ist in
der Geschichte deutlich geworden, aus der Bucer dann Beispiele herausgreift. Die
Christen sollen den Naturtrieb als »aines hohen werks und lichts Gotes in diser und
allen anderen sachen wol... warnemen, ,..«27. »Wir haben aber noch ain vil höher iiecht,
die hailig geschrifft, darin uns Gott geleeret hatt, wie wir im dienen und was wir der
religion halb handlen sollen. Daher sollen wir in allem unser leer und rath nemen ...
Wie denn uns auch das gesatz der natur, das so hell göttlich liecht, so in aller menschen
hertzen scheinet, zum gewaltigesten überzeuget .,.«28
Wo also rechte Obrigkeit ist, muß sie sich der Religion und der Kirchenreform
annehmen. »Diss ist die ordnung und regierung Gottes, wenn frummen gross und
mächtig, das ist zu Herren und oberen werden, das als dann das volck von wegen alles
glücks, das Got inen da mit zuschickt, in frewden lebe. Wenn aber der Gottloss herr-
schet, dass das volck von wegen alles unglücks, mit dem Gott als dann seinen zorn
beweyset, ymmer erseüftzet.«29
Die Obrigkeit ist nach Bucer die Gewalt (potestas)30, welche über andere gesetzt ist,
um sie zu unterweisen und zu richten. Sie tritt zuerst im Ehemann und Hausvater als
Vateramt in Erscheinung. Ihre Aufgabe ist es, sich um Religion und Gottesdienst zu
kümmern, christliches Leben zu fördern und falsche Lehre und lasterhaften Wandel
streng zu ahnden. Bucer sieht in der Beaufsichtigung des Lebenswandels der Unterta-
nen durch die Obrigkeit das wesentliche Moment der wahren Religion. Wenn bereits
die heidnische Obrigkeit solche Gewalt besitze und ausübe, wie viel mehr müsse dies
bei den Christen der Fall sein, welche das göttliche Gebot und die heilige Schrift haben!
Bucer begründet die Obrigkeit von Ro 13,1—8; Tit 3,1 und iPetr2, 13—18 her. Sie
trägt das Schwert und hat das »merum imperium«. Sie hat daher nach 5 Mos 13 und 17
falsche Lehre und falschen Gottesdienst streng zu strafen; sie soll durch Belohnen und
24. Cicero: De natura deorum 1, 2. § 3.4. Dial. 7, L4b, S. x 13 f.
25. Vgl. Apg 14, 15—17; Ro 1, 19—20.
26. Dial. 7, M 2 a, S. 115.
27. Ebd. 28. Dial. 7, M 2a, S. 116.
29. Dialogi, Vorrede, A 3 a, S. 49.
30. W. Maurer: Das Verhältnis des Staates zur Kirche nach humanistischer Anschauung,
vornehmlich bei Erasmus. Giessen 1930.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften