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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0061
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DIALOGI

57

Got ymmer aufrichtet und auf in luget44, der wirt lang nit zürnen, noch seinem brüder
so verächtlich züsprechen, auch sich aller freche, eyfers und zancks wol enthalten.
Hart: Wir seind aber noch menschen. So hat sich doch der Herr selb erzürnet über den
verstockten hertzen der Juden, da sy im nit richtig antworten, ob man auf den Sabbath
5 den leüten solte güts thün oder boses, Mar. 3 [4]. Auch hat er inen oft eben scharpf
zügesprochen. Frid: Aber nit gezancket. So warens auch nit leüt, über die er zürnet, die
der warhait begereten, als freylich Sinnprecht ist. So sollen wir auch nit nur menschen,
sonder newe und Christenmenschen sein, die alles wie vor Got in aller forcht, zucht
und liebe lassen abgehn.
10 45Hart: Was hayst du dann gezanckt? Frid: So yeder seine mainung mit worten on
gegründte ursachen bestreyten will | [B 2 b] | und zum hochsten darauf sicht, das er
nur nit geachtet werde46, etwas gewichen sein oder nachgeben haben. Got gebe, wie es
umb die warhait stande.
Hart: Nun, ich bekenn, der flaischlich synn übereylet mich ye. Ich wolte aber den-
15 nocht, daz die warhait erkennet wurde und den preiß hette. Ich wil dich gern und sovil
mir Got gnad gibt gedultig und beschaiden horen und was mich duncket der warhait
gemäß sein, darzü reden mit aller senfftmüt. Frid: Wie aber du, Sinnprecht? Sinnp: Ich
waiß nit, ich dencke, wenn wir gleich lang reden und die zeyt verzeren, so werde doch
yeder auf seinen ailff augen47 bestehn wollen. Hart: Sihe, kündt ir doch sunst ewers
20 disputierens kain ort finden. Jr brauchet aber ewer weyßhait gern, da man euch ymmer
»Amen« nachspricht.
Sinnp: Sihe da, mein Fridlieb, wie ist der anhab48 so freüntlich. Hart: Nun, ich
gemains auch nit so spitzig. Ich wil wehnen, ich habe es also güt an dir49. So bin ich
auch nit der geschickten ainer, maine es aber doch nit boß. Laß uns Fridlieben horen
25 und die sachen getrewlich mitainander erwegen. Ich wil kain spitzig oder scharpff wort
mehr reden. Frid: Das wäre gnüg erbotten. Sinnp: Meinethalb hats nitt nott; zü horen
von güten sachen reden, ist mir kain beschwärde, es bleibet doch yedem frey, zu halten
und anzunemen, das er für güt erkennen kan. Frid: Warumb aber nit? Der gerecht lebet
seines aigenen glaubens50 und kains anderen. Es müß yeder für sich selb alles bewären
30 und das annemen, das er erkennen mag Gottes will sein. Sunst wäre man menschen-
und nit Gotsgleubig.
51Hart: Wolan, so laßt uns nun zur sach greiffen; wir wollen vormittels gotlicher
gnaden uns selb aller ding abstehn, des Herren gantz aigen sein und daher gegenainan-
der alle gedult, senfftmüt und freündtlichait beweysen. Und wie wir in disem handel
44. Schaut, achtet.
45. Was yancken haiß. [Marg.].
46. Daß er nicht dafür angesehen werde.
47. Eine vom Würfelspiel her stammende Redensart: Auf seinen 5, 7, 11 Augen sitzenbleiben;
d. h. hartnäckig, rechthaberisch sein. Vgl. Trübners Deutsches Wörterbuch 1. Berlin 1939.
S. 158h (s. v. Auge).
48. Anfang; vgl. auch die folgende Anmerkung.
49. Ich möchte dir nur Gutes zufügen; vgl. Trübner, a.a.O., S. 84. Eventuell liegt hier ein
Wortspiel vor; vgl. auch die vorangehende Anmerkung.
50. Vgl. Hab 2,4.
51. Summa des, so Christlichem disputieren vonnoten ist. [Marg.].
 
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