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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0062
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OBRIGKEITSSCHRIFTEN

allain gottlichen willen erforschen, also wollen wir in unseren hertzen ymmer zu Gott
aufsehen, erseüfftzen und in bitten umb seinen guten gaist und mit aller forcht und
zitteren als vor seinen augen alles verrichten. Frid: Diß wolle er, unser himelischer
vatter, uns allen verleihen durch unseren Herren Jesum Christum. Sinnp: Amen.
j B 3 a | Frid: Wariich, lieben bruder, werden wir uns deß getrewlich halten, so wirt 5
der Herr, unser lieber himeiischer vatter, uns der warhait und seines säligen willens
nymmer verfälen lassen.
Aber noch ains muß ich uns erinnern. Sinnp: Ich achtet, mein Fridlieb, kündten wir
dem, so yetz erzelet ist, nachkommen, es wurde unser Disputation nit wol mügen
unfruchtbar sein. Frid: On zweifel, dann zwar alles, so zu recht Christiichem disputie- 10
ren erforderet wirt, in erzeleten stucken gentzlich begriffen ist. Und was mochte dem
in gotlichen sachen, die uns anders zu wissen nutz seind, ymmer verborgen bleyben,
der sich selb gantz verleügnet, Gott gar ergeben hette und auf Got von gantzem
hertzen ymmer sehe und seiner gnaden und gaist mit unabiäßlichem sehnen begeret?
An solchem verleügnen aber unser selb und ergeben an Got, aufsehen und betten zu 15
Got, ist bey uns allen ymmer noch grosser mangel. Und denselbigen mangel künden
wir von angeborner blode wegen und so tief eingewurtzleter aigner liebe als übel
erkennen, wenn uns der nit in seinen groben früchten und wercken gleich wol angezai-
get wirt.
52Das erfaren wir zwar täglich in allen disputationen und ernstlichen gesprächen, da 20
die leüt nit gleiche mainungen haben. Wie kümmerlich lasset nur ainer den anderen
außreden, ich geschweig, das yeder des andren red also deütete und richtete, wie er
wolte, das im seine red gedeütet und gerichtet wurde. Und wa schon sovil beschaiden-
hait ist, das ainer den andren laßt außreden, so gedenckt doch yeder, dieweil der ander
redt, meer, wie er antwort gebe und dem andren seine rede wideriege, dann was der 25
ander rede und ob solche rede auch bestehn moge. Niemand will lernen, alle leeren.
Diß wäre nun ja nicht, wenn wir uns selb genugsam abgestanden und uns an Got
volkommen ergeben hetten. Dann wa wir diß recht erraichet hetten, wurden wir vil
mer unser aigen red arg wenig halten, dann des, der gegen uns redt. Wurden auch unser
aigen unwissen aiso erkennen und betrachten, das wir nichts liebers thun wurden, dann
andre horen. Und so wir demnach auch sollen alles bewären, damit wir allain das gut
annemen und behalten, wurden wir uns in demselbigen so gewarsam,53 so | [B 3 b]
forchtsam und geflissen halten, alles so getrewlich zum besseren verstand deüten und
erwegen, das wir kaines red nimmermehr verwerffen wurden, die in ainigen
weg zü gütem verstand verthediget werden mochte. Es wurden unsere disputationen 35
nit auff streyts- und kampffsweys, sonder auff raths- und lernensweys abgehn.
54Darumb, lieben brüder, lassen uns der sachen also thün: Yeder neme des anderen
red auf als auß gütem grund und zur fürdernuß der warhait geredt, gedencke dann wol,
was warhait in solcher rede sein moge und das so getreülich als er wolt, das im gegen
seinen reden geschehe. Habe sich selbs, wenn er sich zum widersprechen sobald berait- 40
52. Niemand wille horen und lernen. [Marg.].
53. Umsichtig.
54. Wie der gegenpart rede auff^unemen, %u erwegen und gu verantwortten ist. [Marg.].
 
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