Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0065
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIALOGI

6l

gnugsam aussprechen, was die Religion seye, villeicht etwas mehr wäre hinzuzuthun
gewesen.
Sag du, mein Hartmüt, haißt Religion nit glaub und gotsdienst? Hart: Der gottes-
dienst steht aber nit allain im hertzen. Frid: Hat doch Sinprecht das allain auch nit
5 gsagt. Hart: Ich wayß aber woi, wa er hinauß will. Frid: Wie waist du | [C ia] | es? Hatt
ers doch noch nit gesagt. Hastu so bald vergessen, das du allain auf die wort antworten
solt, nit auff die mainungen und gedancken? Hart: Verzeihet mir, gewonhait thüt weh.
Ich will hinfür die sach lassen baß an mich kommen.
Frid: In dem hast du, lieber Sinnprecht, recht geredt. Die Religion ist ja der glaub
io und warer gotsdienst und steht derselbig im hertzen. Dann wa das hertz nitt glaubt und
Gott dienen will, ists ain gespott und grausameste verachtung Gottes, was man mitt
Ceremonien im namen seins diensts ymmer fürnemen mage. Darumb er in den Prophe-
ten sagt, das im die Ceremonien, so er selb gebotten hat, als die von Juden on glauben
geübet wurden, ain grewei und unträglicher last gewesen seyen, hat sy haissen hin-
15 wegthün, Esa. 1 [11—17]69. Nun achte ich aber wol, Sinnprecht, du schlagest nit ab, das
wir auch im newen Testament unsere versamlungen zum wort Gottes, gebett und
Sacrament haben sollen, wie wir dann das auß den geschichten der Apostolen und
geschrifften Pauli eben vil anzaigen haben und besonders in der ersten Epistel zun
Corintheren.
20 Sinnp: Wa gebeütet aber die schrift solche ding? Ich schweyge, das die Apostel oder
andere hailigen vätter die weltlichen obren hetten angerüffet, solch ding zü gebieten
oder mißbreüch in solchem zü verbieten und abzüschaffen.
Frid: Mein Sinnprecht, ich red noch nichts vom gebieten oder verbieten der oberkait
oder auch thätlicher an- oder abstellung. Laß uns fein in der ordnung bleiben. Unser
25 handlung ist yetz, was wir verstehn sollen in dem wort Religion und Gottesdienst. Da
hab ich nun erstlich gesagt, du habest recht in dem, das du vor allem den glauben und
solchen Gotsdienst, der im hertzen stande, in dem wort Religion verstehn wilt. Dar-
auff hab ich aber weiter gsprochen, ich achte wol, du gestandest uns, das wir sollen die
versamlungen zum wort Gottes, gebett und Sacramentliche übungen halten und
30 freylich anders nitt dann mit andacht und mit recht gläubigem hertzen.
Sinnp: Wir müssen alle von Got geleret sein, so darf es weder zan noch bauch zü
berayten, wie Augustinus schreybt: wer glaubt, der hat Christum schon genossen70.
Frid: Das gesteh ich | [C ib] | alles, bitt dich aber, laß uns fein einfältig und den näch-
sten zur sachen handlen. Sollen wir aber nit auch bey disem allen mit hochster andacht
3; zur kirchen kommen, die Sacrament empfahen und unser gebet und lobgesang sampt
anderen glidern Christi üben? Sinnp: Ich lise kain gebott darvon. Hart: Sihestu nun,
Fridlieb, was mit den leüten umgeht. Frid: Ey, beyt doch, mein Hartmüt! Sinnprecht
hatt bißher kain unwarhait gesagt, so ist alle warhait für uns. Wol wolte ich, das wir
zum nächsten zur sach griffen. Es hatt aber ain yeder sein weiß.
69. Sich %ur kirchen versamlen und da gehett und andre gaystlichen hendel uhen, sind werck der religion.
[Marg.].
70. In Joh. evang. tractatus 25,12; CChr ser. lat. 36, S. 254: »crede et manducasti«. 26,1;
CChr ser. lat. 36, S. 260: »credere enim in eum, hoc est manducare panem vivum«. B. wendet sich
hier gegen die manducatio oralis. Vgl. auch Jo 6,45.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften