Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0078
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
74

OBRIGKEITSSCHRIFTEN

sovil ordenlicher, andachtiger, einbrünstiger, sovil uns der Herr yetz im newen Testa-
ment mit reycherem gescheftigerem gaist, auch mehr brinnender liebe begabet hat, wa
wir anders an in recht hertzlich glauben. Will auch nit abredig sein, das solche gaistli-
che ubungen werck und ubungen seyen der religion. Mehr, so überal nichts güts ist,
das Got nit gebotten hatte und uns täglich leret, will ich auch nit vernaynen, das solche
übungen in der maß und art, wie sy allweg auß rechtem glauben fliessen, in gebotten
Gottes begriffen seind. Ich waiß aber nit, ob das mein oder anderer leüt oder mein
sampt anderer schuld ist. Ich befind mich selb layder als noch züvil kalt zü disen haili-
gen hendlen. So ich dann auch ansihe, wie etwan unsere gemainediener hiezü und die
gleich embsig seind in die versamlungen und zum tisch deß Herren zü gehn, sich im
leben und den fürnemen früchten der liebe beweysen, müß ich als145 sorgen, es wolle
bey uns in diser unser reformaci — Got wolle, das sy ain ware reformaci und besserung
seye — die Kirchenübungen nit so gar vil besser gehalten und geübet werden, dann sy
bey dem alten volck gehalten und geübet worden seind, da sy der Herr durch die
Propheten und auch unseren Herren Jesum bey den Juden verworffen und hinweg-
thün gehaissen hatt.
Hart: Du müstest da aber, mein Sinnprecht, nit als auf die ergeren sehen. Der zü
Corintho die146 hette wollen allain ansehen, welche, da sy solten des Herren Abentmal
halten, überflüssig und prächtig zecheten, truncken wurden und die armen verachte-
ten, der hette auch wol sagen mogen, sollichs abentmal wäre mehr abzuthün dann zü
besüchen gewesen. Was thäte aber der hailig Paulus? Den mangel understünde er zü
straffen und zü besseren und bestätiget damit durch rechten brauch, zü dem er erma-
net, die ordnung deß Herren am hailigen Abentmal, thäts nit ab, hiesse es auch nie-
mand meyden147.
148Frid: Ja, mein Sinnprecht, das wollest wol betrachten. Also haben sich auch die
hailigen Propheten gegen dem alten volck gehalten. Vons Herren wegen haben sy wol
den myßbrauch der hailigen Cerimonien hefftig verdammet und verworffen,
| [E 2 b] | wie dann auch kain grosser gotslesterung sein mag, dann so man allda Gott
nit mainet noch von hertzen süchet, da man sich doch durch die hailigen Cerimonien
zum allerhochsten erzaiget, als wolte man wider einbringen, was man am Gottesdienst
und der waren liebe Gottes vor ye verlasset hette. Aber dieweil dennocht allweg auch
etliche gotsäligen im volck waren, haben sy, die Propheten, die hailigen versamlungen
und Kirchenübungen nie lassen abgehn oder die frummen umb der bosen willen
haissen irer müssig stehn149. Und warumb solten die lieben kinder Gottes umb des
myßbrauchs willen der gotlosen des beraubet werden, das der Herr inen wie zü seiner
gedächtnuß, also zü hailsamer erbawung des glaubens, verordnet hat? Der Herr liesse
sich den Judas nit irren, ob er in schon kandte, das er sein hailig Abentmal mitt seinen
lieben Jungeren recht und zum ersten hielte.

145. Hier: überhaupt, immer. Vgl. Göt^e, S. 7.
146. Sinn: derjenige, der in Korinth nur die Leute ansehen wollte, die ... etc.
147 Vgl. 1 Kor 11,17 — 22.
148. Wie sich die propbeten gegen dem mißhrauch in hailigen Cerimonien gehalten. [Marg.].
149. Außer Acht zu lassen (mit Genitiv), abzuschaffen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften