DIALOGI
87
Derhalben besteht als noch, das so vil gewalts und oberkait bey yeman, wer der sey,
im werck und der that gefunden wirdt, das demselbigen alle die, über welche sich
solcher gewalt und oberkait erstrecket, gehorsamen sollen.
Hart: Ich wayß nitt, Fridlieb, was diß für reden seind, sy schweben zwischen himel
5 und erden, wollen nit schlecht da beschaid geben, davon wir yetz in aller welt streyten.
Frid: Wieso? Hart: Du redest von Bäpsten, Bischoffen und solchen gaistlichen, deren
du uns freylich gar wenig waißt yetz zur zeyt irgent anzuzaygen. Also redestu auch von
ainem brauch ires gewalts, der yetzund laider niendert 220 gespürt wirt, aber wol das
gegentail allenthalb, mit unwiderbringlichem verderben der gerechtigkait und alles
10 guten befunden und beklaget. Am tag ligt es laider, das alle genandten gaistlichen, die
sich noch ins Bapsts gehorsam halten, die raine Christliche leer und Kirchenübungen
zum hochsten verdammen und verfolgen oder doch zum wenigesten in das verdam-
men und verfolgen derselbigen gehellen 221 . Und darbey in solcher leer und Cerimonen,
| G 3 a | auch der mehrer tail in gantzem leben, mit so offenbaren aberglauben und
15 allerlay ergernuß dem reych Christi entgegen sein, das die rechten Christen billich mit
inen weder essen noch trincken solten 222 , nach vermüg nit allain gottlicher geschriff-
ten, sonder auch irer aigen gesetzen.
Züdem, was sy noch in der welt gehorsam haben, brauchen sy auch dahin, das die
ordenlichen obren ir Ampt zü fürderung deß reychs Christi und sunst zü gemainer
20 wolfart der menschen nit verwalten künden. Richten sovil unfridens, krieg und landts-
zerstorung an, als man von ainigem gewaltigen nitt liset. Uber diß alles halten sy in und
verschwenden wider Christum, unseren Herren, also ain mercklich güt, das alles, wie
sy selb sagen, das erb deß gecreützigeten 223 , die auffenthalt und notdurfft sein solle
aller armen und dürfftigen, der schatz der Kirchen. So denn nun alle frummen obren
25 sich schuldig erkennen, wa dem geringisten nur ain klains an zeytlicher narung wider
recht entwendet wirt, das sy demselbigen wider zü dem seinen helffen und den, der
disem das sein wider recht entzogen hat, seins unrechten straffen: Was seind sy dann
nun schuldig zu thün, da der gantzen gemayn Christi, ja Christo selb, also ain unzehlich
güt nit allain entwendet ist wider alle recht, sonder wirdt alles auch zü gewaltiger
30 zerstorung seines reichs myßbrauchet?
Derhalb solten alle Christen dahin mit allem irem vermügen trachten, das solchen
verstockten zerstorern des reychs unsers Herren Jesu Christi aller gewalt, bayde,
eüsserer policey und Kirchenhandlen, genommen wurde, Wie sy dann auch bayde 224
ainigen gewalt mit recht nit besitzen.
220. Nirgendwo.
221. Einstimmen, zustimmen.
222. Vgl. 1 Kor 5,11.
223. Woher der Ausdruck »patrimonium cruciflxi« bei B. stammt, konnte nicht nachgewiesen
werden. Vgl. auch BDS 5, S. 271, Z. 14. Tatsächlich steht der Ausdruck für Kirchengüter. Sie
sind nach der Lehre der Kirchenväter das Erbe der Armen. Mit diesen identifiziert sich Christus.
Vgl. z. B. Ambrosius: De officiis ministrorum 2,28; MSL 16, Sp. 147—150. »Quos meliores habet
Christus, quam eos in quibus se esse dixit?« (Anspielung auf Mt 25,35 f.). Vgl. auch Augustin:
Ep. 185, ad comitem Bonifacium; CSEL 57, S. 32, Z. 7f. non sunt illa nostra, sed pauperum. In
den Dialogi wird der Ausdruck wiederholt gebraucht, z. B. unten S. 170, Anm. 786 u. ö. m.
224. In bezug auf beide genannten Bereiche.
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Derhalben besteht als noch, das so vil gewalts und oberkait bey yeman, wer der sey,
im werck und der that gefunden wirdt, das demselbigen alle die, über welche sich
solcher gewalt und oberkait erstrecket, gehorsamen sollen.
Hart: Ich wayß nitt, Fridlieb, was diß für reden seind, sy schweben zwischen himel
5 und erden, wollen nit schlecht da beschaid geben, davon wir yetz in aller welt streyten.
Frid: Wieso? Hart: Du redest von Bäpsten, Bischoffen und solchen gaistlichen, deren
du uns freylich gar wenig waißt yetz zur zeyt irgent anzuzaygen. Also redestu auch von
ainem brauch ires gewalts, der yetzund laider niendert 220 gespürt wirt, aber wol das
gegentail allenthalb, mit unwiderbringlichem verderben der gerechtigkait und alles
10 guten befunden und beklaget. Am tag ligt es laider, das alle genandten gaistlichen, die
sich noch ins Bapsts gehorsam halten, die raine Christliche leer und Kirchenübungen
zum hochsten verdammen und verfolgen oder doch zum wenigesten in das verdam-
men und verfolgen derselbigen gehellen 221 . Und darbey in solcher leer und Cerimonen,
| G 3 a | auch der mehrer tail in gantzem leben, mit so offenbaren aberglauben und
15 allerlay ergernuß dem reych Christi entgegen sein, das die rechten Christen billich mit
inen weder essen noch trincken solten 222 , nach vermüg nit allain gottlicher geschriff-
ten, sonder auch irer aigen gesetzen.
Züdem, was sy noch in der welt gehorsam haben, brauchen sy auch dahin, das die
ordenlichen obren ir Ampt zü fürderung deß reychs Christi und sunst zü gemainer
20 wolfart der menschen nit verwalten künden. Richten sovil unfridens, krieg und landts-
zerstorung an, als man von ainigem gewaltigen nitt liset. Uber diß alles halten sy in und
verschwenden wider Christum, unseren Herren, also ain mercklich güt, das alles, wie
sy selb sagen, das erb deß gecreützigeten 223 , die auffenthalt und notdurfft sein solle
aller armen und dürfftigen, der schatz der Kirchen. So denn nun alle frummen obren
25 sich schuldig erkennen, wa dem geringisten nur ain klains an zeytlicher narung wider
recht entwendet wirt, das sy demselbigen wider zü dem seinen helffen und den, der
disem das sein wider recht entzogen hat, seins unrechten straffen: Was seind sy dann
nun schuldig zu thün, da der gantzen gemayn Christi, ja Christo selb, also ain unzehlich
güt nit allain entwendet ist wider alle recht, sonder wirdt alles auch zü gewaltiger
30 zerstorung seines reichs myßbrauchet?
Derhalb solten alle Christen dahin mit allem irem vermügen trachten, das solchen
verstockten zerstorern des reychs unsers Herren Jesu Christi aller gewalt, bayde,
eüsserer policey und Kirchenhandlen, genommen wurde, Wie sy dann auch bayde 224
ainigen gewalt mit recht nit besitzen.
220. Nirgendwo.
221. Einstimmen, zustimmen.
222. Vgl. 1 Kor 5,11.
223. Woher der Ausdruck »patrimonium cruciflxi« bei B. stammt, konnte nicht nachgewiesen
werden. Vgl. auch BDS 5, S. 271, Z. 14. Tatsächlich steht der Ausdruck für Kirchengüter. Sie
sind nach der Lehre der Kirchenväter das Erbe der Armen. Mit diesen identifiziert sich Christus.
Vgl. z. B. Ambrosius: De officiis ministrorum 2,28; MSL 16, Sp. 147—150. »Quos meliores habet
Christus, quam eos in quibus se esse dixit?« (Anspielung auf Mt 25,35 f.). Vgl. auch Augustin:
Ep. 185, ad comitem Bonifacium; CSEL 57, S. 32, Z. 7f. non sunt illa nostra, sed pauperum. In
den Dialogi wird der Ausdruck wiederholt gebraucht, z. B. unten S. 170, Anm. 786 u. ö. m.
224. In bezug auf beide genannten Bereiche.