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OBRIGKEITSSCHRIFTEN
Sinnp: Sihe nun, mein Fridlieb, ob die verthedinger der gaistlichen an dem nit ain
dapfferen308 behilff haben. Ich wolte zwar dir diß auch fürgeworffen haben, so bringst
du mirs selb herfür. Mercke damit aber, das der hailig Ambrosius weytter an den
Kayser schreybet. Frid: Was ist das? Sinnp: Das er meldet, wie der gotsalig Kaiser
Theodosius nit allain in sachen des glaubens hatt wollen, das Priester über Priester 5
richteten, sonder auch, wenn es das leben antreffe309. Frid: Ich habs wol vermerckt,
mein Sinnprecht. Ich bitte dich aber, sag mir frey, was wirt Theodosium hierzü verur-
sacht haben? Was bewegt ainen frummen, verstendigen Kaiser, das er ainerlay sachen
yemand vor anderen zü richten befilcht? | I 2 a | Sinnp: Ich sihe wol, was du wilt. Frid:
Nun, du waißt unser geding310 wol, wie wir disputieren sollen. Was ich will, das laß 10
mich dir sagen, gib du richtig antwort auf meine frag.
Sinnp: Es kan nieman ain sach wol richten, er verstande sy dann und seye auch zum
rechten m solcher sachen etwas genaigt, eyfrig und auch bestendig. Frid: Also, Da
niemand sich umb die sachen des glaubens, auch Priesterlichs ampts und haltens besser
verstünde, auch niemand solchs recht zü erhalten und zü fürderen eyfriger ware dann i5
die lieben hailigen Bischoff, wie dann diß auch ir ampt erforderet, Wem solte da der
frumm Gotsforchtig Kaiser solche hendel zu richten vertrauwet haben, dann eben den
lieben waren und hailigen Bischoffen? Woltestu auch disem frummen Kaiser zülegen,
das er das gericht und versehung gesunder leere und Bischofliches thüns, an dem doch
der Kirchen und volgents der gantzen welt hayl und wolfart zum hochsten staht, solte 20
an blosse namen der Bischoff und Priester gehencket haben? Wir haben auff den
heütigen tag kinder von acht jaren, die nit nur ain Bisthumb inhaben. So haben wir
under den elteren nicht ain klainen hauffen der Bischof und Cardinäl, die nicht ain
Psalmen recht verstanden, seind nichts dann Reyter, Zecher, Büler, Jäger, Krieger und
noch ergers. Und in solchem argen pflegen die Bäpst gemainlich allen anderen fürzu- 25
gohn. Und wenn es wol gerathet und wa sy frumme Bischoff sein wollen, bearbaiten sy
sich etwan, ire underthonen eusserlich zü regieren oder seind bey den grosseren
Fürsten Räth und Cantzler. Die sich der hailigen schrifft und der alten Kirchensatzung
verstanden oder annemen, deren würstu mir freylich wenig anzaigen. Und wa Got die
schon gibt, vermogen sy doch vor den anderen und vorab dem Romischen hof nichts 30
güts außzurichten. Mainstu nun, mein Sinnprecht, das diser Gotsälige Kaiser Theodo-
sius die sachen des glaubens und der Kirchenzucht habe solchen Bischoffen und
gaistlichen vertrawen wollen oder sy seines gerichts freyen?
Sinnp: Sein gesatz sagt ja von Priesteren und Bischoffen. Denen stellet diser Kaiser
das gericht über die Priester zü und | [I a b] | nymmet es den Layen. Frid: Welchen 35
Priesteren aber und welchen Layen? Zwar über die, so nit glauben oder leben wolten
wie sich gebüret, hat er, der doch ain Lay ware, im noch allen gewalt vorbehalten und
denselbigen auch gegen inen geübet, sy zum Concilio berüffet, nachdem er sy gehoret,
die warhait angenommen und anderen anzunemen erkennet und auch gebotten, die
widerwärtigen gestraffet und ins eliend verschicket, Wie wir das lesen in Ecclesiastica 40
308. Kräftigen, wirkungsvollen.
309. Ambrosius: Ep. 21,2; MSL 16, Sp. 1045.
310. Vertrag, Bedingung.
OBRIGKEITSSCHRIFTEN
Sinnp: Sihe nun, mein Fridlieb, ob die verthedinger der gaistlichen an dem nit ain
dapfferen308 behilff haben. Ich wolte zwar dir diß auch fürgeworffen haben, so bringst
du mirs selb herfür. Mercke damit aber, das der hailig Ambrosius weytter an den
Kayser schreybet. Frid: Was ist das? Sinnp: Das er meldet, wie der gotsalig Kaiser
Theodosius nit allain in sachen des glaubens hatt wollen, das Priester über Priester 5
richteten, sonder auch, wenn es das leben antreffe309. Frid: Ich habs wol vermerckt,
mein Sinnprecht. Ich bitte dich aber, sag mir frey, was wirt Theodosium hierzü verur-
sacht haben? Was bewegt ainen frummen, verstendigen Kaiser, das er ainerlay sachen
yemand vor anderen zü richten befilcht? | I 2 a | Sinnp: Ich sihe wol, was du wilt. Frid:
Nun, du waißt unser geding310 wol, wie wir disputieren sollen. Was ich will, das laß 10
mich dir sagen, gib du richtig antwort auf meine frag.
Sinnp: Es kan nieman ain sach wol richten, er verstande sy dann und seye auch zum
rechten m solcher sachen etwas genaigt, eyfrig und auch bestendig. Frid: Also, Da
niemand sich umb die sachen des glaubens, auch Priesterlichs ampts und haltens besser
verstünde, auch niemand solchs recht zü erhalten und zü fürderen eyfriger ware dann i5
die lieben hailigen Bischoff, wie dann diß auch ir ampt erforderet, Wem solte da der
frumm Gotsforchtig Kaiser solche hendel zu richten vertrauwet haben, dann eben den
lieben waren und hailigen Bischoffen? Woltestu auch disem frummen Kaiser zülegen,
das er das gericht und versehung gesunder leere und Bischofliches thüns, an dem doch
der Kirchen und volgents der gantzen welt hayl und wolfart zum hochsten staht, solte 20
an blosse namen der Bischoff und Priester gehencket haben? Wir haben auff den
heütigen tag kinder von acht jaren, die nit nur ain Bisthumb inhaben. So haben wir
under den elteren nicht ain klainen hauffen der Bischof und Cardinäl, die nicht ain
Psalmen recht verstanden, seind nichts dann Reyter, Zecher, Büler, Jäger, Krieger und
noch ergers. Und in solchem argen pflegen die Bäpst gemainlich allen anderen fürzu- 25
gohn. Und wenn es wol gerathet und wa sy frumme Bischoff sein wollen, bearbaiten sy
sich etwan, ire underthonen eusserlich zü regieren oder seind bey den grosseren
Fürsten Räth und Cantzler. Die sich der hailigen schrifft und der alten Kirchensatzung
verstanden oder annemen, deren würstu mir freylich wenig anzaigen. Und wa Got die
schon gibt, vermogen sy doch vor den anderen und vorab dem Romischen hof nichts 30
güts außzurichten. Mainstu nun, mein Sinnprecht, das diser Gotsälige Kaiser Theodo-
sius die sachen des glaubens und der Kirchenzucht habe solchen Bischoffen und
gaistlichen vertrawen wollen oder sy seines gerichts freyen?
Sinnp: Sein gesatz sagt ja von Priesteren und Bischoffen. Denen stellet diser Kaiser
das gericht über die Priester zü und | [I a b] | nymmet es den Layen. Frid: Welchen 35
Priesteren aber und welchen Layen? Zwar über die, so nit glauben oder leben wolten
wie sich gebüret, hat er, der doch ain Lay ware, im noch allen gewalt vorbehalten und
denselbigen auch gegen inen geübet, sy zum Concilio berüffet, nachdem er sy gehoret,
die warhait angenommen und anderen anzunemen erkennet und auch gebotten, die
widerwärtigen gestraffet und ins eliend verschicket, Wie wir das lesen in Ecclesiastica 40
308. Kräftigen, wirkungsvollen.
309. Ambrosius: Ep. 21,2; MSL 16, Sp. 1045.
310. Vertrag, Bedingung.