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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0154
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OBRIGKEITSSCHRIFTEN

Hart: Ist aber solliche haltung der ungleubigen auch dem willen Gottes gemäß?
Frid: Meins glaubens. Dann die obren ye darumb seind, das sy alles, das eüsserlich arg
ist und deß- | S ia j halb ergeret, abschaffen und nit gedulden. Nu mag aber nichts
ergers sein noch mehr verergeren, dann waren Gottesdienst verlesteren, davon abzie-
hen und falschen üben. So dann die oberkaiten Gottes gericht üben sollen, ist auch
billich, das sy die verächter gotlicher gnaden also halten, das dieselbigen durch sy
gotlichs zorns, der ob m ist, erinnert werden. Also hatt auch Got seinem volck Israel,
wenn das in seiner gehorsam lebte, die Hayden underworffen und dienstbar gemachet.
Sinnp: Mit sollichem hart und schmählich halten aber schaffet man, das die ungleu-
bigen etwan sich zü uns thün on waren glauben und verunraynen darnach die Kirchen.
Frid: Das die ungleubigen ires unglaubens entgelten655, ist das gerechte urtail Gotes,
mag für sich selb nichts args bringen. Mißbrauchet aber desselbig ir verkerts hertz und
nemen sich daher des glaubens fälschlich an, so hat dagegen die gotsälige oberkait die
artzney, das sy iren betrug, sobald derselbig außbricht, mit allem ernst straffe. Wa man
auch Christliche regierung haltet und recht eyfrig ist in disem hohen befelch, wirt
allweg solcher heüchler betrug zü seiner zeyt wol vermerckt und dermassen gestraffet,
das die gantze gemain ain forcht anfalle, dem hailigen gayst nicht zü liegen656, wie das
an dem Anania und seinem weyb657 und vilen anderen gleißnern658 geschehen ist.
659Hart: Wie solle dann die Christliche oberkait halten die im bund Gottes geboren
und in der kindthait durch den tauff Christo, unserem Herren, eingeleibet seind? Frid:
Wa solche der unaußsprechlichen gnaden Gottes, die inen in dem, das sy in bund
Gottes gleich geboren seind, bewysen ist, wolten undanckbar sein und vom glauben
Christi abtretten, die solle man billich vil herter halten dann die, denen dise gnad nit
widerfaren ist. Und wa sy nicht von ainer unverschalcketer verfürung übereylet seind,
solle man sy straffen als die an Got, irem schopfer, an Christo Jesu, irem erloser,
brüchig und abfellig worden seind.
Hart: Was straffen erkennent die Kayser wider solliche? Frid: Erstlich, das sy kainen
platz noch versamlung haben sollen, ire irrthumb bede zü leeren und zü lernen, aller
freyhaiten und gunst, so von Kaisern den glaubigen vergunnet ist, berau- | [S ib] | bet
sein, und welche etwas frecher und verherter sein wollen, wie die Donatisten und
Manicheer waren, wollen die Kaiser auch aller gemainschafft diß lebens berauben
gleich wie die, so vom glauben zü den Juden oder Hayden abfielen — de Haere[ticis] et
Man[ichaeis] Eo[s] de Apostatis660.
Sinnp: So nun ainer in der kindthait getäuffet worden ist, da er noch nichts verstan-
den hatt, solle der nicht noch seine freye wahl haben, das Christenthumb anzunemen
oder nit?
Frid: Hatt er doch sein freye wahl, wer kan in zwingen? Sinnp: Wenn er under den
leüten nitt soll geduldet werden, wa er im Christenthumb nit bleyben wolte, ist das nit
655. Büßen (mit dem Genitiv des Objekts).
656. Lügen.
657. Vgl. Apg 5,1 ff.
658. Scheinheiligen, Heuchlern; Lexer 1, Sp. 1036 (s. v. glizen).
659. Wie die halten, so vom glauben abfallen, in dem sy getauffet seind. [Marg.].
660. Corpus Iuris Civilis, Cod. I, 7,6.
 
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