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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0174
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OBRIGKEITSSCHRIFTEN

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lesen, Messen und andere Kirchenubungen, was ist doch an dem allem, das nit lr aigen
Bäpstliche recht verdammen und haissen hinnemen, wie im sechsten gesprech anzo-
gen785? Man sehe an den brauch des erbs des gecreützigten786, künde man auch er-
schrocklicheren raub erdencken? Damitt man solte die armen enthalten, der Kirchen
taugliche diener auffziehen, alles güts fürderen, das die frummen alten offt iren aigen 5
kinderen entzogen haben, damit Christus ir erb wäre in seinen wenigesten, wie wirt
hiemit gehauset? Und geschicht das nit allain den ersten Kirchengüteren, so im gewalt
der Bischof seind, sonder auch den güteren der Closter, der alten und newen? Damit
frumme leüt haben erstatten wollen der Bischoffen mängel und derohalb ain thail ire
styfftung mitt namen Spitäl787 genennet, als die hailig gayster788, Johanniter789, Antho- 10
niter790 und andere, was ist doch darauß worden?
Mein Sinnprecht, eben die ursach ists, das man yetz für ain | [X 2 b] | 791frävel
haben will, wa die Christlichen obren der gaistlichen so schwäre myßbreüch abstellen,
das man sy so gering schätzet. Wir lesen im Jesaia am ersten [1 ff.], wie der Herr wider
die Kirchenübungen seins volcks schreyet, da sy dieselbigen on waren glauben übeten 15
und dieweyl in irem geytz und anderen lasteren verharreten, und wurden dannocht
dieselbigen Cerimonien eüsserlich nach dem wort Gottes gehalten, und wirt des orts
von kainem abgotischem anhang geklaget. Noch sagt der Herr: Nemets hin, es ist mir ain
grewel, ain last, ich mags nit mehr geduldenic>2. O lieber Sinnprecht, gedächten wir nur, wie
wir wollen uns selb gedienet haben. Nun seind wir aber Gottes leib und seelaigen, und 20
was wir haben und leben, ist alles seiner gnaden werck, und es solle bey uns so ain
träglich ding sein, das Evangelii unsers lieben Herren Jesu, welches uns leeret, alles
hail allain im Creütz des Herren süchen793, also verkeren die hayligen Cerimonien und
vorab das hailig Abentmal also zum elenden grempelmarck794 machen, das uns der
Herr dartzü verordnet hatt, das er sich uns in demselb gebe, seinen leib und sein blüt, 25
das er in uns und wir in im leben. Dabey wir solten mit hochster andacht seinen tod
preysen, seine sälige gedechtnuß halten und daher im glauben gestercket und in der
liebe entzindet werden. O du barmhertziger Gott und warlich langmütig, zü was
grewel ist dise allerhailigste übung gerathen? 795Dann man doch ye bey der Mess, die
doch nichts dann ain lautere verkerung ist des hailigen Abentmals des Herren das 30
süchet, das man Gottes zorn abwende und alles güts an leib und seel erlange und doch
dabey verharre in allen sünden, des sehe man an die Messmacher selb und den grosse-
785. s. oben, S. 78 ff.
786. s. oben, S. 87, Anm. 223.
787. Vgl. RGG 3, Sp. 458h und LThK 5, Sp. 494 (Hospitaliter).
788. LThK 5, Sp. 114 (Hospitaliter vom hl. Geist).
789. LThK 5, Sp. 1107—1110 (Johanniter-Orden).
790. LThK 1, Sp. 677 (Hospitaliter vom hl. Antonius).
791. Warutnh es ain fravel geacht werde, der geistlichen mißhreüche ahstellen. [Marg.].
792. Jes 1,13.
793. Vgl. 1 Kor 1,23.
794. Grempelmarck = Trödelmarkt. Gemeint ist, daß eine heilige Stätte durch profane
Handlungen entweiht wird. Vgl. die Tempelaustreibung Mt 21,12h
795. Bepstliche Mess. [Marg.].
 
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