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JAHRESFEIER
auf 15 Jahre angelegten Vorhaben geht es darum, buddhistische Texte, in freier Natur
auf den Fels aufgetragen, Bibliotheken in der Landschaft gewissermaßen, zu sichern,
aufzunehmen, zu deuten. Ich bin nicht qualifiziert, über die Bedeutung der Texte
etwas zu sagen. Wo hl aber kann und will ich sagen: Dieses Vorhaben repräsentiert sehr
schön die kulturenübergreifende Dimension des Akademienprogramms. Es steht für
internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit. Und daß es deutsche Wissen-
schaftler sind, die gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern eine faszinierende
Facette des kulturellen Erbes Chinas erschließen, ist für unser Land nicht bedeu-
tungslos. In China, das dem 21. Jahrhundert seinen Stempel aufdrücken wird, wis-
senschaftlich — ich sage pointiert: geisteswissenschaftlich — präsent zu sein, ist auch
em politisches Faktum.
Beide Projekte, so unterschiedlich sie sind, machen anschaulich sichtbar, was
jene abstrakte Formel, mit der neuerdings der Kernauftrag des Akademienpro-
gramms umschrieben wird — Wissensinfrastrukturen für die geisteswissenschaftliche
Forschung aufzubauen — eigentlich meint.
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften als Stätte der Forschung — da
ist freilich auch ein herber Verlust zu vermelden. Was sich im vergangenen Jahr
abzeichnete, ist jetzt Gewißheit. Naturwissenschaftliche Forschungsvorhaben werden
aus dem Akademienprogramm nicht mehr gefordert werden.
Der Wissenschaftsrat hat gemeint: 1.) die Naturwissenschaften brauchten die
paar Millionen Euro, die ihnen bisher aus dem Akademienprogramm zuflossen, doch
wirklich nicht und 2.) das Akademienprogramm könne nur Profil gewinnen, indem
es Ballast abwerfe. So plausibel sich das anhört, klug war es nicht. Wenn man
wünscht, daß die Akademien der Ort des die Fächergrenzen überschreitenden Dia-
logs zwischen den Wissenschaften sein sollen — und die Politik scheint das zu wün-
schen —, dann ist es unvernünftig, den Naturwissenschaften das fachliche Interesse an
der Präsenz in den Akademien zu nehmen.
Natürlich ist die Bedeutung des Akademienprogramms für die Naturwissen-
schaften, wenn man sie in finanziellen Quantitäten mißt, gering. Aber gerade die
Heidelberger Erfahrung zeigt, daß es Forschungsinitiativen gibt, die nur in Nischen
möglich sind, in der relativ abgeschirmten, klein dimensionierten Akademiewelt. Die
Heidelberger Umweltphysik, sagen Kundige, wäre ohne die Akademie nicht ent-
standen.
Aber Klagen nützen nichts, die Entscheidung ist gefallen; wir müssen sehen,
was sich aus den neuen Vorgaben machen läßt.
Mit dem zweiten Stichwort des Berichts wende ich mich dem zu, was die Hei-
delberger Akademie wie jede andere Akademie der Wissenschaften, die diesen
Namen verdient, in ihrem Kern ist und bleiben muß, wenn sie ihrer Bestimmung
gerecht werden soll, der Gelehrtensozietät. Ich will unter dieser Überschrift em paar
Sätze zu einem Thema sagen, zu dem sich die Akademien so gut wie nie öffentlich
äußern — aus ganz vernünftigen Gründen übrigens: zu den Zuwahlen.
Zuwahlen sind nicht anders als Berufungsentscheidungen für die Universitä-
ten für die Akademien die Konstitutionsentscheidungen schlechthin. Sie entscheiden
darüber, was die Institution ist und was sie leistet. Seit 1919 werden sie in voller
JAHRESFEIER
auf 15 Jahre angelegten Vorhaben geht es darum, buddhistische Texte, in freier Natur
auf den Fels aufgetragen, Bibliotheken in der Landschaft gewissermaßen, zu sichern,
aufzunehmen, zu deuten. Ich bin nicht qualifiziert, über die Bedeutung der Texte
etwas zu sagen. Wo hl aber kann und will ich sagen: Dieses Vorhaben repräsentiert sehr
schön die kulturenübergreifende Dimension des Akademienprogramms. Es steht für
internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit. Und daß es deutsche Wissen-
schaftler sind, die gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern eine faszinierende
Facette des kulturellen Erbes Chinas erschließen, ist für unser Land nicht bedeu-
tungslos. In China, das dem 21. Jahrhundert seinen Stempel aufdrücken wird, wis-
senschaftlich — ich sage pointiert: geisteswissenschaftlich — präsent zu sein, ist auch
em politisches Faktum.
Beide Projekte, so unterschiedlich sie sind, machen anschaulich sichtbar, was
jene abstrakte Formel, mit der neuerdings der Kernauftrag des Akademienpro-
gramms umschrieben wird — Wissensinfrastrukturen für die geisteswissenschaftliche
Forschung aufzubauen — eigentlich meint.
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften als Stätte der Forschung — da
ist freilich auch ein herber Verlust zu vermelden. Was sich im vergangenen Jahr
abzeichnete, ist jetzt Gewißheit. Naturwissenschaftliche Forschungsvorhaben werden
aus dem Akademienprogramm nicht mehr gefordert werden.
Der Wissenschaftsrat hat gemeint: 1.) die Naturwissenschaften brauchten die
paar Millionen Euro, die ihnen bisher aus dem Akademienprogramm zuflossen, doch
wirklich nicht und 2.) das Akademienprogramm könne nur Profil gewinnen, indem
es Ballast abwerfe. So plausibel sich das anhört, klug war es nicht. Wenn man
wünscht, daß die Akademien der Ort des die Fächergrenzen überschreitenden Dia-
logs zwischen den Wissenschaften sein sollen — und die Politik scheint das zu wün-
schen —, dann ist es unvernünftig, den Naturwissenschaften das fachliche Interesse an
der Präsenz in den Akademien zu nehmen.
Natürlich ist die Bedeutung des Akademienprogramms für die Naturwissen-
schaften, wenn man sie in finanziellen Quantitäten mißt, gering. Aber gerade die
Heidelberger Erfahrung zeigt, daß es Forschungsinitiativen gibt, die nur in Nischen
möglich sind, in der relativ abgeschirmten, klein dimensionierten Akademiewelt. Die
Heidelberger Umweltphysik, sagen Kundige, wäre ohne die Akademie nicht ent-
standen.
Aber Klagen nützen nichts, die Entscheidung ist gefallen; wir müssen sehen,
was sich aus den neuen Vorgaben machen läßt.
Mit dem zweiten Stichwort des Berichts wende ich mich dem zu, was die Hei-
delberger Akademie wie jede andere Akademie der Wissenschaften, die diesen
Namen verdient, in ihrem Kern ist und bleiben muß, wenn sie ihrer Bestimmung
gerecht werden soll, der Gelehrtensozietät. Ich will unter dieser Überschrift em paar
Sätze zu einem Thema sagen, zu dem sich die Akademien so gut wie nie öffentlich
äußern — aus ganz vernünftigen Gründen übrigens: zu den Zuwahlen.
Zuwahlen sind nicht anders als Berufungsentscheidungen für die Universitä-
ten für die Akademien die Konstitutionsentscheidungen schlechthin. Sie entscheiden
darüber, was die Institution ist und was sie leistet. Seit 1919 werden sie in voller