Antrittsreden
Antrittsrede von Herrn FRANK-RUTGER HAUSMANN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 19. Januar 2005.
Den letzten ausführlichen Lebenslauf habe ich im
Herbst 1961 verfaßt, als ich mich zum Abitur meldete.
Danach genügten tabellarische Übersichten. Somit ist
die Textsorte der „Selbstdarstellung“ für mich unge-
wohnt. Allerdings habe ich mich als Literaturwissen-
schaftler immer wieder mit Autobiographien befaßt.
Was liegt näher, als die dabei gewonnenen Erkenntnis-
se auf den heutigen Anlaß anzuwenden? Bereits die
antike Rhetorik empfiehlt im Bereich der Exordial-
topik die „captatio benevolentiae“, weiterhin dieTopoi
Bescheidenheit, Herrscherlob und Dank. Lassen Sie
mich also damit beginnen. Ich bin sehr stolz, daß Sie
mich in Ihre Reihen aufgenommen haben und danke Ihnen dafür. Es ist für mich
eine große Ehre, in die Spuren der früheren romanistischen Akademiemitglieder
Hugo Friedrich und Erich Köhler treten zu dürfen, deren Freiburger Assistent ich
vor über 35 Jahren einmal war. Allerdings muß ich hinzufügen, daß mich Köhler von
Friedrich „geerbt“ hatte und unsere Zusammenarbeit nicht lange währte. Hugo
Friedrich, der am 24. Dezember 2004 einhundert Jahre alt geworden wäre, ist und
bleibt für mich der Repräsentant der deutschen Romanistik schlechthin, unnach-
ahmlich in seinen Analysen, aber dennoch immer wieder vergebens nachgeahmt.
Ihm möchte ich stellvertretend für alle meine akademischen Lehrer und Förderer
danken. Nicht minder stolz bin ich, neben geschätzten und bewunderten Kollegen
wie Kurt Baidinger, Wolfgang Raible und Karlheinz Stierle die Romanistik in der
Heidelberger Akademie mit vertreten zu dürfen. Ich möchte an dieser Stelle aber
auch nicht versäumen, meiner längst verstorbenen Mutter für ihre demokratische
Gesinnung, ihre Weltläufigkeit und ihre Unvoreingenommenheit zu danken, mit der
sie meine älteren Brüder und mich erzog. Sie ließ mich bereits als Schüler sechs
Fremdsprachen lernen, schickte mich in jeden Ferien auf Auslandsreisen und ani-
mierte mich zu umfassenden Lektüren. Ein Dank gilt ebenso meinem Ziehvater
Gerhard Günther, der 1951 nach langem, von den Nazis erzwungenem Exil aus
Irland nach Deutschland zurückkehrte und mich nicht nur mit der englischen Kul-
tur und ihren Vorzügen vertraut machte, sondern auch systematisches wissenschaft-
liches Arbeiten lehrte.
Philippe Lejeune, um aus den Erkenntnissen der Autobiographieforschung
Nutzen zu ziehen, fordert in seinem immer wieder aufgelegten Buch über den auto-
biographischen Pakt, daß das sprechende bzw. schreibende Ich mit dem biographier-
ten Ich identisch sein, und daß, bei aller Selbststilisierung und Episodenhaftigkeit des
Antrittsrede von Herrn FRANK-RUTGER HAUSMANN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 19. Januar 2005.
Den letzten ausführlichen Lebenslauf habe ich im
Herbst 1961 verfaßt, als ich mich zum Abitur meldete.
Danach genügten tabellarische Übersichten. Somit ist
die Textsorte der „Selbstdarstellung“ für mich unge-
wohnt. Allerdings habe ich mich als Literaturwissen-
schaftler immer wieder mit Autobiographien befaßt.
Was liegt näher, als die dabei gewonnenen Erkenntnis-
se auf den heutigen Anlaß anzuwenden? Bereits die
antike Rhetorik empfiehlt im Bereich der Exordial-
topik die „captatio benevolentiae“, weiterhin dieTopoi
Bescheidenheit, Herrscherlob und Dank. Lassen Sie
mich also damit beginnen. Ich bin sehr stolz, daß Sie
mich in Ihre Reihen aufgenommen haben und danke Ihnen dafür. Es ist für mich
eine große Ehre, in die Spuren der früheren romanistischen Akademiemitglieder
Hugo Friedrich und Erich Köhler treten zu dürfen, deren Freiburger Assistent ich
vor über 35 Jahren einmal war. Allerdings muß ich hinzufügen, daß mich Köhler von
Friedrich „geerbt“ hatte und unsere Zusammenarbeit nicht lange währte. Hugo
Friedrich, der am 24. Dezember 2004 einhundert Jahre alt geworden wäre, ist und
bleibt für mich der Repräsentant der deutschen Romanistik schlechthin, unnach-
ahmlich in seinen Analysen, aber dennoch immer wieder vergebens nachgeahmt.
Ihm möchte ich stellvertretend für alle meine akademischen Lehrer und Förderer
danken. Nicht minder stolz bin ich, neben geschätzten und bewunderten Kollegen
wie Kurt Baidinger, Wolfgang Raible und Karlheinz Stierle die Romanistik in der
Heidelberger Akademie mit vertreten zu dürfen. Ich möchte an dieser Stelle aber
auch nicht versäumen, meiner längst verstorbenen Mutter für ihre demokratische
Gesinnung, ihre Weltläufigkeit und ihre Unvoreingenommenheit zu danken, mit der
sie meine älteren Brüder und mich erzog. Sie ließ mich bereits als Schüler sechs
Fremdsprachen lernen, schickte mich in jeden Ferien auf Auslandsreisen und ani-
mierte mich zu umfassenden Lektüren. Ein Dank gilt ebenso meinem Ziehvater
Gerhard Günther, der 1951 nach langem, von den Nazis erzwungenem Exil aus
Irland nach Deutschland zurückkehrte und mich nicht nur mit der englischen Kul-
tur und ihren Vorzügen vertraut machte, sondern auch systematisches wissenschaft-
liches Arbeiten lehrte.
Philippe Lejeune, um aus den Erkenntnissen der Autobiographieforschung
Nutzen zu ziehen, fordert in seinem immer wieder aufgelegten Buch über den auto-
biographischen Pakt, daß das sprechende bzw. schreibende Ich mit dem biographier-
ten Ich identisch sein, und daß, bei aller Selbststilisierung und Episodenhaftigkeit des