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NACHRUFE
Diese bewegte Jugendzeit weckte und schulte einen beweglichen Geist:
Das Studium in München, im Wintersemester 1948/49 begonnen, wurde bereits
nach einem Jahr von der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert und 1953
mit einer Dissertation über „Zwei Probleme der mittelindischen Lautlehre“ abge-
schlossen, die 1955 in den Münchner indologischen Studien publiziert wurde. 1956
folgte die Habilitation in München mit einer Arbeit über „Ursprung und Ausbrei-
tung des Suffixes -anä im Alt- und Mittelindischen“ und 1957 die Aufnahme der
Lehrtätigkeit, erst als Privatdozent in München und Münster, ab 1958 als Dozent in
Münster.
Hermann Berger hatte seine akademische Ausbildung bei hervorragenden
Lehrern erhalten: dem Indologen Helmut Hoffmann — einem umfassend gebildeten
und vielseitigen Forscher, der Indologie, Iranistik und Tibetologie lehrte und hohe
Ansprüche an seine Schüler stellte — und bei dem gerade habilitierten Privatdozen-
ten Karl Hoffmann, von dessen sprachwissenschaftlichem Interesse Berger ebenfalls
inspiriert wurde. Als Nebenfächer studierte er Indogermanistik bei F. Sommer und
A. Scherer sowie Semitistik bei Anton Spitaler. Sein Interesse richtete sich schon
früh auf Eigenheiten der Lautbildung und auf Strukturen von Sprache, zunächst mit
Schwerpunkt auf dem Mittelindischen (Pali), dann - nach dreimonatigem Aufent-
halt im Baskenland 1956 — mit großem und bleibendem Interesse für das Baskische
und für Zigeunersprachen, um sich schließlich noch wenig erforschten Sprachen in
den Randgebieten des Südasiatischen Raumes zuzuwenden.
Die Lehrtätigkeit in Münster war nicht von langer Dauer. Schon 1959 bekam
er die Chance, an einer deutsch-österreichischen Karakorum-Expedition teilzuneh-
men, die für ihn mit ersten Feldforschungen in Hunza eine entscheidende Weichen-
stellung einleitete: es begann Bergers Burushaski-Forschung, die 1961 durch einen
von der DFG ermöglichten Forschungsaufenthalt in Hunza undYasin vertieft wurde.
Auch ergab sich 1962 die für jeden Indologen bedeutsame Gelegenheit, sich durch
einen längeren Indien-Aufenthalt mit der Lebensweise, Gesellschaft und Kultur Indi-
ens vertraut zu machen, als Hermann Berger 1962—64 eine Tätigkeit als Gastdozent
für Comparative Philology am Sanskrit College der Universität von Calcutta über-
nahm. Hier befand er sich sowohl in einem Zentrum traditioneller Sanskrit-Gelehr-
samkeit, als auch im pulsierenden kulturellen Leben einer anglo-indischen Millio-
nenstadt, in der einerseits Industrialisierung und Kommunismus die Arbeitswelt
prägten, andererseits aber auch das verfeinerte kulturelle Erbe aus der Zeit der isla-
mischen Herrschaft noch lebendig blieb und die Spuren der Kolonialzeit unüber-
sehbar waren. Die Tatsache, dass er mit Ehefrau und zwei Söhnen von 5 und 6 Jah-
ren nach Indien reiste und dass dort seine beiden Töchter geboren wurden, führte
verständlicherweise zu einer partiellen Abschirmung vom brodelnden Getriebe die-
ser riesigen Stadt mit ihren vielen Gesichtern und zur Teilhabe am postkolonialen
Lebensstil der dortigen anglo-indischen Gesellschaftskreise, aber seine Indien-Wahr-
nehmung wurde in dieser Zeit auch durch die Universität, durch Kontakte mit indi-
schen Kollegen und durch mehrere Reisen im Lande, auch nach Südindien, geprägt.
Die im Frühjahr 1964 erfolgte Berufung auf den Lehrstuhl für Indologie am
Südasien-Institut der Universität Heidelberg beendete schließlich diesen Indien-
NACHRUFE
Diese bewegte Jugendzeit weckte und schulte einen beweglichen Geist:
Das Studium in München, im Wintersemester 1948/49 begonnen, wurde bereits
nach einem Jahr von der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert und 1953
mit einer Dissertation über „Zwei Probleme der mittelindischen Lautlehre“ abge-
schlossen, die 1955 in den Münchner indologischen Studien publiziert wurde. 1956
folgte die Habilitation in München mit einer Arbeit über „Ursprung und Ausbrei-
tung des Suffixes -anä im Alt- und Mittelindischen“ und 1957 die Aufnahme der
Lehrtätigkeit, erst als Privatdozent in München und Münster, ab 1958 als Dozent in
Münster.
Hermann Berger hatte seine akademische Ausbildung bei hervorragenden
Lehrern erhalten: dem Indologen Helmut Hoffmann — einem umfassend gebildeten
und vielseitigen Forscher, der Indologie, Iranistik und Tibetologie lehrte und hohe
Ansprüche an seine Schüler stellte — und bei dem gerade habilitierten Privatdozen-
ten Karl Hoffmann, von dessen sprachwissenschaftlichem Interesse Berger ebenfalls
inspiriert wurde. Als Nebenfächer studierte er Indogermanistik bei F. Sommer und
A. Scherer sowie Semitistik bei Anton Spitaler. Sein Interesse richtete sich schon
früh auf Eigenheiten der Lautbildung und auf Strukturen von Sprache, zunächst mit
Schwerpunkt auf dem Mittelindischen (Pali), dann - nach dreimonatigem Aufent-
halt im Baskenland 1956 — mit großem und bleibendem Interesse für das Baskische
und für Zigeunersprachen, um sich schließlich noch wenig erforschten Sprachen in
den Randgebieten des Südasiatischen Raumes zuzuwenden.
Die Lehrtätigkeit in Münster war nicht von langer Dauer. Schon 1959 bekam
er die Chance, an einer deutsch-österreichischen Karakorum-Expedition teilzuneh-
men, die für ihn mit ersten Feldforschungen in Hunza eine entscheidende Weichen-
stellung einleitete: es begann Bergers Burushaski-Forschung, die 1961 durch einen
von der DFG ermöglichten Forschungsaufenthalt in Hunza undYasin vertieft wurde.
Auch ergab sich 1962 die für jeden Indologen bedeutsame Gelegenheit, sich durch
einen längeren Indien-Aufenthalt mit der Lebensweise, Gesellschaft und Kultur Indi-
ens vertraut zu machen, als Hermann Berger 1962—64 eine Tätigkeit als Gastdozent
für Comparative Philology am Sanskrit College der Universität von Calcutta über-
nahm. Hier befand er sich sowohl in einem Zentrum traditioneller Sanskrit-Gelehr-
samkeit, als auch im pulsierenden kulturellen Leben einer anglo-indischen Millio-
nenstadt, in der einerseits Industrialisierung und Kommunismus die Arbeitswelt
prägten, andererseits aber auch das verfeinerte kulturelle Erbe aus der Zeit der isla-
mischen Herrschaft noch lebendig blieb und die Spuren der Kolonialzeit unüber-
sehbar waren. Die Tatsache, dass er mit Ehefrau und zwei Söhnen von 5 und 6 Jah-
ren nach Indien reiste und dass dort seine beiden Töchter geboren wurden, führte
verständlicherweise zu einer partiellen Abschirmung vom brodelnden Getriebe die-
ser riesigen Stadt mit ihren vielen Gesichtern und zur Teilhabe am postkolonialen
Lebensstil der dortigen anglo-indischen Gesellschaftskreise, aber seine Indien-Wahr-
nehmung wurde in dieser Zeit auch durch die Universität, durch Kontakte mit indi-
schen Kollegen und durch mehrere Reisen im Lande, auch nach Südindien, geprägt.
Die im Frühjahr 1964 erfolgte Berufung auf den Lehrstuhl für Indologie am
Südasien-Institut der Universität Heidelberg beendete schließlich diesen Indien-