46 | Mirko Breitenstein
(Petis a me) – dieser sei das gereinigte und daher reine Gewissen. ⁴⁵ Die hier zum
Ausdruck kommende Gewissheit lässt sich wohl nur als Gnadengabe begreifen, die
Gott seinen Auserwählten gewährt.
Eine solche Ruhe des Gewissens birgt jedoch stets die Gefahr falscher Sicherheit.
So wie die Sünde des schlechten und ruhigen Gewissens ja gerade darin liegt, nicht
mehr auf die Gnade Gottes zu hoffen, sondern diese grundsätzlich zu bezweifeln,
so birgt die in der conscientia bona et tranquilla oder auch caelestis zum Ausdruck
kommende Gewissheit der eigenen Heilssicherheit die Gefahr des Hochmuts. Dass
diese Konstellation in den Texten jedoch weder thematisiert wird, noch die resultierenden
Fragen diskutiert werden, hängt wohl in erster Linie mit ihrem Charakter
als Erziehungsschriften zusammen. Als solche sollten sie bei der Gewissensbildung
Anleitung geben. Möglicherweise wurde in diesem Zusammenhang, in dem es vor
allem auch um die Entwicklung und Verbreitung von Techniken der Introspektion
und Selbsterforschung ging, die Wahrscheinlichkeit als nur gering gesehen, dass
ein Mönch ein gutes und ruhiges Gewissen besaß. Denn: Auch wenn sie Gott die
liebste sei, wäre eine solche conscientia nur selten anzutreffen, erwähnt schon der
Traktat Petis a me. ⁴⁶
Als das typische gute Gewissen wurde vielmehr eines identifiziert, das trotz
seiner richtigen Orientierung unsicher und daher unruhig ist, weil ihm die Diskrepanz
von Sein und Sollen, mit der es sich konfrontiert sieht, als unüberbrückbar
erscheint. Der Mensch wird von Anfechtungen heimgesucht, weshalb ihm das
Leben hart und streng erscheint. ⁴⁷ Das Gewissen jedoch gibt Anstoß dazu, sich
allen Versuchungen zu verschließen und legt sich, statt dem fleischlichen Verlangen
nachzugeben, den Zügel der Gottesfurcht an. ⁴⁸ Allein: Das Leben mit dem unruhigen
Gewissen bleibt eines beständiger innerer Kämpfe – ein Leben, das bewegt und
verwirrt. ⁴⁹ Doch kämpft der Mensch stets vor den Augen Gottes, der auch Tröstung
und Stärkung bereithält, je nachdem, was dem Einzelnen konkret angemessen ist. ⁵⁰
45 Porro is qui voluntatem habet non peccandi, et custodiendi pedes suos a lapsu; qui commissa praeteriti
temporis et plangit, et punit; qui malignos cogitatus advenientes cordi suo allidendo ad Christum
respuit: hoc tanquam triplice funiculo strictus atque constrictus, conscientiam habet et purificatam, et
puram. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 2, 3, Sp. 555. Vgl. auch oben Anm. 13.
46 Vgl. oben Anm. 27.
47 Conscientia bona est, sed turbata, quae nil molle, nil fluxum recipit, sed a mundi aspergine quando
potest pressius detergit, non tamen in dulcedine, sed in amaritudine multa. Dura enim videtur ei via
rectior, et austerior vita. Ubique videt quod carni displicet: sed retinet se freno timoris Dei, et in omni
tempestate cordis sui ad hanc anchoram figitur. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
48 Ubique videt quod carni displicet: sed retinet se freno timoris Dei, et in omni tempestate cordis sui ad
hanc anchoram figitur. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
49 Commovetur terra, cum peccator confitetur et poenitet; conturbatur, cum in conversatione amaritudinem
sustinet. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
50 Notandum vero est, quod quibusdam in religione viventibus apponitur lac ad bibendum, quibusdam
etiam vinum: sed tamen utrumque divinum. Bibunt illi lac, quibus et vigiliae breves, et cibi dulces, et
(Petis a me) – dieser sei das gereinigte und daher reine Gewissen. ⁴⁵ Die hier zum
Ausdruck kommende Gewissheit lässt sich wohl nur als Gnadengabe begreifen, die
Gott seinen Auserwählten gewährt.
Eine solche Ruhe des Gewissens birgt jedoch stets die Gefahr falscher Sicherheit.
So wie die Sünde des schlechten und ruhigen Gewissens ja gerade darin liegt, nicht
mehr auf die Gnade Gottes zu hoffen, sondern diese grundsätzlich zu bezweifeln,
so birgt die in der conscientia bona et tranquilla oder auch caelestis zum Ausdruck
kommende Gewissheit der eigenen Heilssicherheit die Gefahr des Hochmuts. Dass
diese Konstellation in den Texten jedoch weder thematisiert wird, noch die resultierenden
Fragen diskutiert werden, hängt wohl in erster Linie mit ihrem Charakter
als Erziehungsschriften zusammen. Als solche sollten sie bei der Gewissensbildung
Anleitung geben. Möglicherweise wurde in diesem Zusammenhang, in dem es vor
allem auch um die Entwicklung und Verbreitung von Techniken der Introspektion
und Selbsterforschung ging, die Wahrscheinlichkeit als nur gering gesehen, dass
ein Mönch ein gutes und ruhiges Gewissen besaß. Denn: Auch wenn sie Gott die
liebste sei, wäre eine solche conscientia nur selten anzutreffen, erwähnt schon der
Traktat Petis a me. ⁴⁶
Als das typische gute Gewissen wurde vielmehr eines identifiziert, das trotz
seiner richtigen Orientierung unsicher und daher unruhig ist, weil ihm die Diskrepanz
von Sein und Sollen, mit der es sich konfrontiert sieht, als unüberbrückbar
erscheint. Der Mensch wird von Anfechtungen heimgesucht, weshalb ihm das
Leben hart und streng erscheint. ⁴⁷ Das Gewissen jedoch gibt Anstoß dazu, sich
allen Versuchungen zu verschließen und legt sich, statt dem fleischlichen Verlangen
nachzugeben, den Zügel der Gottesfurcht an. ⁴⁸ Allein: Das Leben mit dem unruhigen
Gewissen bleibt eines beständiger innerer Kämpfe – ein Leben, das bewegt und
verwirrt. ⁴⁹ Doch kämpft der Mensch stets vor den Augen Gottes, der auch Tröstung
und Stärkung bereithält, je nachdem, was dem Einzelnen konkret angemessen ist. ⁵⁰
45 Porro is qui voluntatem habet non peccandi, et custodiendi pedes suos a lapsu; qui commissa praeteriti
temporis et plangit, et punit; qui malignos cogitatus advenientes cordi suo allidendo ad Christum
respuit: hoc tanquam triplice funiculo strictus atque constrictus, conscientiam habet et purificatam, et
puram. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 2, 3, Sp. 555. Vgl. auch oben Anm. 13.
46 Vgl. oben Anm. 27.
47 Conscientia bona est, sed turbata, quae nil molle, nil fluxum recipit, sed a mundi aspergine quando
potest pressius detergit, non tamen in dulcedine, sed in amaritudine multa. Dura enim videtur ei via
rectior, et austerior vita. Ubique videt quod carni displicet: sed retinet se freno timoris Dei, et in omni
tempestate cordis sui ad hanc anchoram figitur. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
48 Ubique videt quod carni displicet: sed retinet se freno timoris Dei, et in omni tempestate cordis sui ad
hanc anchoram figitur. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
49 Commovetur terra, cum peccator confitetur et poenitet; conturbatur, cum in conversatione amaritudinem
sustinet. Tractatus de conscientia (wie Anm. 4), cap. 3, 4, Sp. 555.
50 Notandum vero est, quod quibusdam in religione viventibus apponitur lac ad bibendum, quibusdam
etiam vinum: sed tamen utrumque divinum. Bibunt illi lac, quibus et vigiliae breves, et cibi dulces, et