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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Breitenstein, Mirko: Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0054
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Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant | 53
Mönch jedoch, diese Gefühle aus seinem Herzen zu verbannen, so kann er – durch
die aufrichtige und ehrliche Beichte – in seine conscientia treten. ⁷⁸ Als bona et tranquilla
lässt sich eine solche conscientia mit dem unbekannten Verfasser von Petis a
me beschreiben. ⁷⁹ In ein solches von allen Sünden durch ihr Bekenntnis gereinigtes
Gewissen trete Gott gern ein und nimmt Wohnstatt im Menschen; ⁸⁰ ein solches
Gewissen sei für Gott wie ein gereinigtes Glas, aus dem er eilig trinkt. ⁸¹ Die Beichte,
so wird deutlich, schafft Sicherheit; sie ist eine »institutionalisierte Form[en] der
Narration, die die Seele verfügbar« macht. ⁸²
Das Gewissen des Einzelnen in der Gemeinschaft
Wenn der Mensch, wie dargestellt, das Buch seines Gewissens nicht nur zu lesen
vermag, sondern gehalten ist, es beständig zu verbessern, bis es schließlich dem des
Lebens gleicht, verweist dies nicht nur auf einen unmittelbaren Transzendenzbezug,
in dem derjenige steht, der sich bewusst beobachtet. Insofern die Möglichkeit
zur Selbsterkenntnis vor dem Hintergrund der vom Mönch anzustrebenden Verähnlichung
mit Gott die Verpflichtung zur Reflexion des eigenen Seins impliziert,
resultiert aus ihr immer auch Verantwortung. ⁸³ Der Aspekt der Übernahme von
Verantwortung für die eigene Person bringt dabei das innovative Moment dieser
Texte deutlich zum Ausdruck: Vor sich selbst konnte dem Mönch nichts verborgen
bleiben. Sein Gewissen zwang den Mönch »zur Auseinandersetzung mit sich
selbst«. ⁸⁴ Es sei an jedem Einzelnen, schlechte Handlungen zu bessern, sowie die
namque amputat intestina et verenda confessionis ut detrahat sacrificio Domini, timor linguam et brachia,
praesumptio caput, aemulatio pedes. Petrus Cellensis, De conscientia (wie Anm. 1), S. 221.
78 Ecce si quatuor ista exclusa fuerint, princeps mundi per veram confessionem eiicitur foras. Quo eiiecto
intrabit claustralis ad conscientiam suam […]. Petrus Cellensis, De conscientia (wie Anm. 1), S. 224.
79 Vgl. oben Anm. 38.
80 Esto igitur templum Dei, et Deus excelsus habitabit in te. Tractatus de interiori domo (wie Anm. 5),
cap. 1, 2, Sp. 509. Vgl. auch ebd., cap. 1, 5, Sp. 510. Zum Motiv des Wohnens im Herzen vgl. Friedrich
Ohly, ›Cor amantis non angustum‹. Vom Wohnen im Herzen, in: Ders., Schriften zur mittelalterlichen
Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S. 128 –155. Zur Metaphorik des »inneren Hauses« vgl. Gert
Melville/Anne Müller, Franziskanische Raumkonzepte. Zur symbolischen Bedeutung des inneren
und äußeren Hauses, in: Revue Mabillon 21, 2010, S. 105 –138, hier S. 111–118.
81 Tamquam phiala igitur conscientia pura Deo propinat omnia bona nostra interiora et exteriora […]
sic Dominus noster accurrit ad potandum ut conscientiae puritate inebrietur […] Petrus Cellensis, De
conscientia (wie Anm. 1), S. 226.
82 Alois Hahn/Herbert Willems/Rainer Winter, Beichte und Therapie als Formen der Sinngebung,
in: Die Seele. Ihre Geschichte im Abendland, hg. von Gerd Jüttemann/Michael Sonntag/Christoph
Wulf, Weinheim 1991, S. 493 – 511, hier S. 493.
83 Vgl. Breitenstein, Der Traktat »Vom inneren Haus« (wie Anm. 5), S. 290 –292.
84 Gert Melville, Der Mönch als Rebell gegen gesatzte Ordnung und religiöse Tugend. Beobachtungen zu
Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: De ordine vitae. Zu Normvorstellungen, Organisationsformen
 
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