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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Breitenstein, Mirko: Die Verfügbarkeit der Transzendenz: Das Gewissen der Mönche als Heilsgarant
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0057
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56 | Mirko Breitenstein
Eine solche Aufgabe erscheint wohl nicht nur aus heutiger Perspektive als eine außerordentliche
Herausforderung, insofern hier die Verantwortung für das Eigene
noch um die für das Ganze erweitert wird. ⁹⁷
Das aus dieser Konstellation erwachsende gegenseitige Verpflichtungsverhältnis
war geeignet, nicht nur die Sorge für den Nächsten auf eine verbindliche Ebene
zu heben, sondern mit ihm wurde zugleich ein Netz intensiver sozialer Kontrolle
gespannt. Trotz einer Intensivierung selbstbezogener Verantwortung und einer verstärkten
Bedeutung, die dem je eigenen Verständnis allgemein vorgegebener Normen
beigemessen wurde, behielt die Gemeinschaft somit wesentliche funktionale
Bedeutung. Sie garantierte als institutioneller Rahmen nicht nur die Voraussetzungen,
unter denen jeder Mönch sich seinem Seelenheil widmen konnte und war also
Bedingung seiner Möglichkeit zur Heilssicherung. Indem der Einzelne sein Seelenheil
ganz wesentlich auch durch Sorge um den Nächsten, durch den Aufbau des
eigenen Gewissens in dem des Nächsten, verdienen musste, kam dieser Reziprozität
die Funktion eines institutionellen Mechanismus der Heilsgewinnung zu.
Verantwortung für sich und für den Nächsten, so legen es die vorgestellten Texte
nahe, sorgen für ein Innewohnen Gottes im Menschen. Ein Wirken im Sinne des
Gebots der Nächstenliebe bedeutet zugleich auch die Befolgung des höchsten göttlichen
Gebots und war Ausdruck des mönchischen Bestrebens nach vollkommener
Nachahmung Christi. ⁹⁸ Diese im lebenspraktischen wie auch im gewissensbildenden
Dienst am Anderen zum Ausdruck kommende imitatio markierte den Weg
zur Vollendung. Konnte der Mönch vor sich selbst, vor seinem Beichtvater wie
auch vor seinem ewigen Richter bekennen, diesen iter perfectionis bis zur letzten
Konsequenz gegangen zu sein, sprach das für ihn. Hatte er einen solchen Zustand
erlangt, war sein Gewissen durch guten Willen errichtet, und wurde es durch die
Beichte gereinigt, dann brauchte der Mönch, ganz so wie Petrus Cellensis ausführt,
keine Furcht vor dem Jüngsten Gericht zu haben.
memoriam reducta, cor meum non parvo veneno iniquitatis maculavere. Tractatus de interiori domo
(wie Anm. 5), cap. 20, 40, Sp. 529.
97 Der Einfluss dieser Konstruktion eines reziproken Verantwortungsverhältnisses lässt sich ganz offensichtlich
bis ins 20. Jahrhundert hinein feststellen, wie die Antwort des Jesuiten Peter Browe auf die Frage
eines Beichtvaters nach dem eigenen Befinden nahelegt: »Die meiste Reue«, bekennt Browe, »habe ich
über die Sünden meiner Mitbrüder«. Zitiert nach: Hubertus Lutterbach, Peter Browe SJ (1876 –1949) –
Kulturgeschichtliche Anstöße aus dem moraltheologischen ›Abseits‹?, in: Peter Browe, Die Eucharistie
im Mittelalter. Liturgiehistorische Forschungen in kulturwissenschaftlicher Absicht, hg. von Hubertus
Lutterbach/Thomas Flammer (Vergessene Theologen 1), 6. Aufl. Münster 2011, S. 1–12, hier S. 2.
98 Vgl. Breitenstein, Der Traktat »Vom inneren Haus« (wie Anm. 5), S. 271–274.
 
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