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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Köpf, Ulrich: Annäherung an Gott im Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0082
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Annäherung an Gott im Kloster | 81
vor die letzte Stufe mit der devotio eine weitere Stufe ein, die es ihm erlaubt, die Annäherung
an Gott differenzierter zu betrachten. Die höchste Stufe führe schließlich
zur Schau Gottes in Zion (Ps. 83, 8). ¹²⁴
Rückblick
An einer Reihe von Modellen der religiösen Entwicklung und des Aufstiegs bis zur
Schau Gottes und der Einigung mit Gott haben wir gesehen, wie sich das Reformmönchtum
des 12. Jahrhunderts vor dem Hintergrund traditioneller Entwürfe die
Annäherung an Gott vorstellt. Dabei handelt es sich freilich um theologische Darlegungen,
deren Bezug zur gelebten Wirklichkeit im Kloster schwer abschätzbar ist.
Echte Erfahrungsberichte finden wir dabei selten, auch bei Bernhard von Clairvaux,
der so viel von Erfahrung spricht und gelegentlich auch auf gemachte Erfahrungen
zurückgreift, die ihn mit seinen Mitbrüdern verbinden. Allerdings liegt der größte
Schatz an Erfahrungen, aus dem er schöpft, in der Heiligen Schrift. Er weiß auch
vom Versagen des Mönchs in einem durch die Benediktsregel vorgegebenen Tageslauf,
der trotz aller Regelungen genügend Raum für die Entfaltung persönlicher
Eigenarten und damit auch für Abweichungen von den geistlichen Aufgaben und
dem höchsten Ziel einer Annäherung an Gott lässt. Wenn der Kartäuser Guigo I.
in seinen Meditationes zur Gotteserkenntnis in der Zelle anleitet, ¹²⁵ dann sind ihm
doch die Grenzen dessen bewusst, was Menschen erreichen können. ¹²⁶ Trotz dieser
Einschränkungen lässt sich feststellen, dass man sich im Reformmönchtum mit
allen Mitteln, die sich aus der Benediktsregel wie aus einer innovativen Gestaltung
des monastischen Lebensform durch die Kartäuser ergaben, durch verschärfte Askese
und durch differenzierte Anleitung zum Aufstieg, höchst aktiv um eine Annäherung
an Gott bemüht hat. Dennoch bleibt trotz aller Metaphorik des freundschaftlichen
Gesprächs und bräutlichen Umgangs mit Christus bis hin zu Bildern
ma occurit, et data materia mittit nos ad meditationem. Meditatio quid appetendum sit diligentius
inquirit, et quasi effodiens thesaurum invenit et ostendit; sed cum per se obtinere non valeat, mittit
nos ad orationem. Oratio se totis viribus ad Deum erigens impetrat thesaurum desiderabilem, contemplationis
suavitatem. Haec adveniens praedictorum trium laborem remunerat, dum coelestis rore
dulcedinis animam sitientem inebriat. Lectio est secundum exterius exercitium, meditatio secundum
interiorem intellectum, oratio secundum desiderium, contemplatio supra omnem sensum. Primus gradus
est incipientium, secundus proficientium, tertius devotorum, quartus beatorum.
124 Guigues II le Chartreux, Epistola de vita contemplativa (wie Anm. 121), cap. 14, S. 114, Z. 377–380.
125 Z. B. Guigues I ᵉʳ Prieur de Chartreuse, Les méditations (Recueil de penseés) (Sources chrétiennes 308/
Série des textes monastiques d’Occident 51), Paris 1983, meditatio 373, S. 242.
126 Guigues I ᵉʳ Prieur de Chartreuse, Les méditations (wie Anm. 125), meditatio 329, S. 214: Sed nemo
eum [sc. Deum] omnino quomodo et quantum debet amare potest, nisi qui eum qualis et quantus est
perfectissime noverit. Sed hoc facit nemo nisi ipse.
 
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