Inklusion – Exklusion: weiblich – männlich | 141
wird eine der indirekten Folgen der Klausur angedeutet, die später bei den Zisterzienserinnen
⁶² und noch mehr in den Bettelorden deutlicher zutage treten sollte.
Durch das Leben in strenger Klausur war es den geistlichen Frauen unmöglich,
dieselben wirtschaftlichen Wege zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes einzuschlagen
wie den Männern. Weder die Grangienwirtschaft inklusive der Anbindung an
den städtischen Markt noch das Betteln war für die Frauen eine Option. Ihnen blieb
nichts anderes übrig, als das aus dem Frühmittelalter geläufige Abgabensystem der
Grundherrschaft beizubehalten.
Obwohl der Lippoldsberger Konvent kurz nach seiner Gründung entsprechend
den Gewohnheiten der Hirsauer Observanz zum Priorat und die Äbtissin zu einer
domina degradiert sowie die Leitung einem pater übertragen worden war, emanzipierten
sich die Nonnen von der strengen Klausur. Der Hamerslebener Augustinerchorherr
Gunthar, der in Lippoldsberg das Amt des Priors von 1138 bis 1161
innehatte, räumte den geistlichen Frauen größere Freiheiten ein als die Statuten der
Gründungszeit. Er verteidigte ihren Besitz gegen eigennützige Vögte, er richtete
ihnen eine Bibliothek und ein Skriptorium ein und er versorgte sie mit der neuesten
Literatur aus den nordfranzösischen Kathedralschulen. ⁶³ Durch ihn erhielten die
Nonnen Zugang zu einem fortschrittlichen Reformnetzwerk, das die Bischöfe von
Hildesheim und Halberstadt rund um den Harz errichtet hatten. ⁶⁴
Fazit
Es ist offensichtlich, dass die repräsentativen Frauenregeln sowohl des 6. Jahrhunderts
wie der Reformzeit des Hochmittelalters der Klausur entschieden mehr Aufmerksamkeit
schenkten als die zeitgleichen Männerregeln. Dies ist keine grund-
62 Maria Magdalena Rückert, Die Auswirkungen der Klausur auf die Wirtschaftsweise der Cistercienserinnen
im Mittelalter, in: Analecta Cisterciensia 61, 2011, S. 145 –167.
63 Julie Hotchin, Women’s Reading and Monastic Reform in Twelfth-Century Germany. The Library of
the Nuns of Lippoldsberg, in: Manuscripts and Monastic Culture. Reform and Renewal in Twelfth-Century
Germany, hg. von Alison I. Beach (Medieval church studies 13), Turnhout 2007, S. 139 –189. Dass
Gunthar den Neubau der Klosterkirche in Lippoldsberg nach dem Vorbild der Hamerslebener Kirche
errichten ließ, wie in der Literatur häufig zu lesen, widerlegen neuere, bislang unpublizierte kunsthistorische
Untersuchungen. Ich danke Herrn PD Dr. Jens Reiche, Universität Göttingen, für diesen Hinweis.
64 Vgl. dazu Hedwig Röckelein, Die Auswirkung der Kanonikerreform des 12. Jahrhunderts auf Kanonissen,
Augustinerchorfrauen und Benediktinerinnen, in: Institution und Charisma. Festschrift für Gert
Melville zum 65. Geburtstag, hg. von Franz Josef Felten/Annette Kehnel/Stefan Weinfurter, Köln/
Weimar/Wien 2009, S. 55 –72.
wird eine der indirekten Folgen der Klausur angedeutet, die später bei den Zisterzienserinnen
⁶² und noch mehr in den Bettelorden deutlicher zutage treten sollte.
Durch das Leben in strenger Klausur war es den geistlichen Frauen unmöglich,
dieselben wirtschaftlichen Wege zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes einzuschlagen
wie den Männern. Weder die Grangienwirtschaft inklusive der Anbindung an
den städtischen Markt noch das Betteln war für die Frauen eine Option. Ihnen blieb
nichts anderes übrig, als das aus dem Frühmittelalter geläufige Abgabensystem der
Grundherrschaft beizubehalten.
Obwohl der Lippoldsberger Konvent kurz nach seiner Gründung entsprechend
den Gewohnheiten der Hirsauer Observanz zum Priorat und die Äbtissin zu einer
domina degradiert sowie die Leitung einem pater übertragen worden war, emanzipierten
sich die Nonnen von der strengen Klausur. Der Hamerslebener Augustinerchorherr
Gunthar, der in Lippoldsberg das Amt des Priors von 1138 bis 1161
innehatte, räumte den geistlichen Frauen größere Freiheiten ein als die Statuten der
Gründungszeit. Er verteidigte ihren Besitz gegen eigennützige Vögte, er richtete
ihnen eine Bibliothek und ein Skriptorium ein und er versorgte sie mit der neuesten
Literatur aus den nordfranzösischen Kathedralschulen. ⁶³ Durch ihn erhielten die
Nonnen Zugang zu einem fortschrittlichen Reformnetzwerk, das die Bischöfe von
Hildesheim und Halberstadt rund um den Harz errichtet hatten. ⁶⁴
Fazit
Es ist offensichtlich, dass die repräsentativen Frauenregeln sowohl des 6. Jahrhunderts
wie der Reformzeit des Hochmittelalters der Klausur entschieden mehr Aufmerksamkeit
schenkten als die zeitgleichen Männerregeln. Dies ist keine grund-
62 Maria Magdalena Rückert, Die Auswirkungen der Klausur auf die Wirtschaftsweise der Cistercienserinnen
im Mittelalter, in: Analecta Cisterciensia 61, 2011, S. 145 –167.
63 Julie Hotchin, Women’s Reading and Monastic Reform in Twelfth-Century Germany. The Library of
the Nuns of Lippoldsberg, in: Manuscripts and Monastic Culture. Reform and Renewal in Twelfth-Century
Germany, hg. von Alison I. Beach (Medieval church studies 13), Turnhout 2007, S. 139 –189. Dass
Gunthar den Neubau der Klosterkirche in Lippoldsberg nach dem Vorbild der Hamerslebener Kirche
errichten ließ, wie in der Literatur häufig zu lesen, widerlegen neuere, bislang unpublizierte kunsthistorische
Untersuchungen. Ich danke Herrn PD Dr. Jens Reiche, Universität Göttingen, für diesen Hinweis.
64 Vgl. dazu Hedwig Röckelein, Die Auswirkung der Kanonikerreform des 12. Jahrhunderts auf Kanonissen,
Augustinerchorfrauen und Benediktinerinnen, in: Institution und Charisma. Festschrift für Gert
Melville zum 65. Geburtstag, hg. von Franz Josef Felten/Annette Kehnel/Stefan Weinfurter, Köln/
Weimar/Wien 2009, S. 55 –72.