216 | Sita Steckel
schaftliche Problemstellungen, dann nach Sammlung und deutender Ordnung von
Wissen, schließlich nach der selektiven Anpassung an veränderte Benutzungskontexte
gefragt werden.
Antworten auf neue Fragen: Honorius Augustodunensis
und die Kontexte seines Erfolges
Interessante Schlaglichter auf wissensgeschichtliche Innovationen des 11. Jahrhunderts
wirft eines der von Herrad im Hortus deliciarum genutzten Werke – das Elucidarium
des gelehrten Benediktiners und späteren Einsiedlers Honorius Augustodunensis
(† nach 1150). ¹⁹
Das Leben dieses biographisch kaum fassbaren, aber ungeheuer produktiven
Autors führt zunächst vor Augen, dass sich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts
und dem früheren 12. Jahrhundert in Europa verschiedene reformorientierte
Kirchen- und Klosterlandschaften bildeten, beispielsweise ein anglo-normannisches
und ein süddeutsches Reformnetzwerk. ²⁰ Honorius könnte möglicherweise
sein erstes Lebensdrittel (* um 1080) in den teils klerikalen, teils benediktinischen
Netzwerken des anglo-normannischen Raumes verbracht haben. Das Elucidarium
verfasste er als eines seiner ersten Werke, wohl um 1100. Einige Jahre nach 1100 ist
Honorius aber in Süddeutschland zu lokalisieren. Er scheint den letzten Teil seines
Lebens als Inkluse bei Weih St. Peter in Regensburg verbracht zu haben.
19 Zu Honorius Augustodunensis vgl. den Überblick bei Dagmar Gottschall, Das »Elucidarium« des
Honorius Augustodunensis. Untersuchungen zu seiner Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte im
deutschsprachigen Raum mit Ausgabe der niederdeutschen Übersetzung (Texte und Textgeschichte 33),
Tübingen 1992, hier S. 8 –12. Valerie Irene Jane Flint, The Career of Honorius Augustodunensis: Some
Fresh Evidence, in: Révue Bénédictine 82, 1972, S. 63 – 86; Dies., The Chronology of the Works of Honorius
Augustodunensis, in: Révue Bénédictine 82, 1972, S. 215 –242. Eine Edition des Textes bei Yves
Lefèvre, L’Elucidarium et les lucidaires. Contributions par l’histoire d’un texte à l’histoire des croyances
religieuses en France au Moyen Âge (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 108),
Paris 1954 (Edition S. 359 – 479). Zum Kontext Valerie Irene Jane Flint, The »Elucidarius« of Honorius
Augustodunensis and Reform in Late Eleventh-Century England, in: Révue bénédictine 85, 1975, S. 179 –
188; Dies., The Place and Purpose of the Works of Honorius Augustodunensis, in: Révue bénedictine
87, 1977, S. 97–118. Vgl. zu Honorius ferner auch Robert Luff, Wissensvermittlung im europäischen
Mittelalter. »Imago mundi«-Werke und ihre Prologe (Texte und Textgeschichte 47), Tübingen 1999, bes.
S. 20 –57; Josef Anton Endres, Honorius Augustodunensis. Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens
im 12. Jahrhundert, Kempten/München 1905.
20 Vgl. in Ermangelung vergleichender Literatur exemplarisch zum anglo-normannischen Raum Richard
William Southern, Saint Anselm. Portrait in a Landscape, Cambridge 1990; zu Süddeutschland Ian
Stuart Robinson, The Friendship Network of Gregory VII, in: History 63, 1978, S. 1–22; zu Flandern
jetzt Steven Vanderputten, Monastic Reform as Process. Realities and Representations in Medieval
Flanders, 900-1100, Ithaca, NY 2013.
schaftliche Problemstellungen, dann nach Sammlung und deutender Ordnung von
Wissen, schließlich nach der selektiven Anpassung an veränderte Benutzungskontexte
gefragt werden.
Antworten auf neue Fragen: Honorius Augustodunensis
und die Kontexte seines Erfolges
Interessante Schlaglichter auf wissensgeschichtliche Innovationen des 11. Jahrhunderts
wirft eines der von Herrad im Hortus deliciarum genutzten Werke – das Elucidarium
des gelehrten Benediktiners und späteren Einsiedlers Honorius Augustodunensis
(† nach 1150). ¹⁹
Das Leben dieses biographisch kaum fassbaren, aber ungeheuer produktiven
Autors führt zunächst vor Augen, dass sich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts
und dem früheren 12. Jahrhundert in Europa verschiedene reformorientierte
Kirchen- und Klosterlandschaften bildeten, beispielsweise ein anglo-normannisches
und ein süddeutsches Reformnetzwerk. ²⁰ Honorius könnte möglicherweise
sein erstes Lebensdrittel (* um 1080) in den teils klerikalen, teils benediktinischen
Netzwerken des anglo-normannischen Raumes verbracht haben. Das Elucidarium
verfasste er als eines seiner ersten Werke, wohl um 1100. Einige Jahre nach 1100 ist
Honorius aber in Süddeutschland zu lokalisieren. Er scheint den letzten Teil seines
Lebens als Inkluse bei Weih St. Peter in Regensburg verbracht zu haben.
19 Zu Honorius Augustodunensis vgl. den Überblick bei Dagmar Gottschall, Das »Elucidarium« des
Honorius Augustodunensis. Untersuchungen zu seiner Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte im
deutschsprachigen Raum mit Ausgabe der niederdeutschen Übersetzung (Texte und Textgeschichte 33),
Tübingen 1992, hier S. 8 –12. Valerie Irene Jane Flint, The Career of Honorius Augustodunensis: Some
Fresh Evidence, in: Révue Bénédictine 82, 1972, S. 63 – 86; Dies., The Chronology of the Works of Honorius
Augustodunensis, in: Révue Bénédictine 82, 1972, S. 215 –242. Eine Edition des Textes bei Yves
Lefèvre, L’Elucidarium et les lucidaires. Contributions par l’histoire d’un texte à l’histoire des croyances
religieuses en France au Moyen Âge (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 108),
Paris 1954 (Edition S. 359 – 479). Zum Kontext Valerie Irene Jane Flint, The »Elucidarius« of Honorius
Augustodunensis and Reform in Late Eleventh-Century England, in: Révue bénédictine 85, 1975, S. 179 –
188; Dies., The Place and Purpose of the Works of Honorius Augustodunensis, in: Révue bénedictine
87, 1977, S. 97–118. Vgl. zu Honorius ferner auch Robert Luff, Wissensvermittlung im europäischen
Mittelalter. »Imago mundi«-Werke und ihre Prologe (Texte und Textgeschichte 47), Tübingen 1999, bes.
S. 20 –57; Josef Anton Endres, Honorius Augustodunensis. Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens
im 12. Jahrhundert, Kempten/München 1905.
20 Vgl. in Ermangelung vergleichender Literatur exemplarisch zum anglo-normannischen Raum Richard
William Southern, Saint Anselm. Portrait in a Landscape, Cambridge 1990; zu Süddeutschland Ian
Stuart Robinson, The Friendship Network of Gregory VII, in: History 63, 1978, S. 1–22; zu Flandern
jetzt Steven Vanderputten, Monastic Reform as Process. Realities and Representations in Medieval
Flanders, 900-1100, Ithaca, NY 2013.