Deuten, Ordnen und Aneignen | 227
Vervollständigens der textuellen Überlieferung und kopierten sozusagen aus verschiedenen
aufgeschlagenen Werken das wichtigste zusammen. ⁵³ Fast das Gegenteil
ist der Fall: Wie Lesley Smith auf den Spuren Beryl Smalleys festgestellt hat, wurden
über weite Strecken die längst vorliegenden frühmittelalterliche Bibelkommentare
zusammengekürzt, etwa Werke Bedas († 731), Alkuins († 804), des Hrabanus Maurus
(† 856) oder des Haimo von Auxerre († c. 878). Die fortlaufende Glossierung
war also keine neue Zusammenstellung, sondern funktionierte vor allem als Abkürzung
und Neuordnung durch die Gelehrten als ordinatores glossae. Nur wenige
Bücher, etwa die Psalmen, wurden Gegenstand intensiver neuer Durcharbeitung.
Wie Smith formuliert:
»It does not seem to be the case that any glossator worked surrounded by a
dozen different texts from which to draw his own commentary or make his
extracts. Rather, it is striking how limited the range appears to be. […] for a
number of books, for example Chronicles or Proverbs, the glossator seems
to have done little more than divide Rabanus’ commentary on that text into
lemmata and have it copied out around the Vulgate translation. Rabanus’
work may have been shortened somewhat, but little more has been done to
change it.« ⁵⁴
Einige Zentren, aus denen die wichtigsten Textbestände in der Frühphase der Arbeit
an der Glossierung bezogen wurden, die Schulen der Kathedralen von Laon und
Auxerre, zeigen den indirekten Konnex zur frühmittelalterlichen Wissensproduktion
– beide Kathedralen, aus deren Bücherschätzen Anselm von Laon und sein
Fortsetzer Gilbertus Universalis schöpften, ⁵⁵ waren besonders gut mit dem Erbe
der karolingerzeitlichen klösterlichen Gelehrten Hrabanus Maurus, Paschasius
Radbertus sowie Haimo, Heiric und Remigius von Auxerre ausgestattet. ⁵⁶
53 So De Hamel, Glossed Books (wie Anm. 49), S. 1.; vgl. als weitere Beispiele dieser Vorstellung aber
auch die ansonsten äußerst nuancierte Zusammenfassung bei Joachim Ehlers, Das westliche Europa
(Die Deutschen und das europäische Mittelalter 3), München 2004, S. 289 –290. Ältere Forschungen,
insbesondere die Beryl Smalleys, die spezifisch nach Vorläufern der Arbeitstechnik der Glossierung
und Sentenzenerstellung suchte, widersprechen dem tendenziell, verfolgten aber meist andere Fragen,
vgl. Beryl Smalley, La Glossa Ordinaria. Quelques prédécesseurs d’Anselme de Laon, in: Recherches
de théologie ancienne et médiévale 9, 1937, S. 365 – 400.
54 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), S. 54, insgesamt zu den Quellen der Glossa ordinaria
und dem Forschungsstand dazu ebd., S. 3 – 6, 41– 44; mit dem häufigen Hinweis auf Hrabanus Maurus
ebd., S. 45 –54.
55 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), bes. S. 23 f. mit Verweis auf die karolingerzeitliche
Bibliothek von Laon, S. 29 –31 für die Benutzung von Paschasius Radbertus und die karolingerzeitliche
Bibliothek von Auxerre durch den Glossator Gilbertus Universalis.
56 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), S. 31.
Vervollständigens der textuellen Überlieferung und kopierten sozusagen aus verschiedenen
aufgeschlagenen Werken das wichtigste zusammen. ⁵³ Fast das Gegenteil
ist der Fall: Wie Lesley Smith auf den Spuren Beryl Smalleys festgestellt hat, wurden
über weite Strecken die längst vorliegenden frühmittelalterliche Bibelkommentare
zusammengekürzt, etwa Werke Bedas († 731), Alkuins († 804), des Hrabanus Maurus
(† 856) oder des Haimo von Auxerre († c. 878). Die fortlaufende Glossierung
war also keine neue Zusammenstellung, sondern funktionierte vor allem als Abkürzung
und Neuordnung durch die Gelehrten als ordinatores glossae. Nur wenige
Bücher, etwa die Psalmen, wurden Gegenstand intensiver neuer Durcharbeitung.
Wie Smith formuliert:
»It does not seem to be the case that any glossator worked surrounded by a
dozen different texts from which to draw his own commentary or make his
extracts. Rather, it is striking how limited the range appears to be. […] for a
number of books, for example Chronicles or Proverbs, the glossator seems
to have done little more than divide Rabanus’ commentary on that text into
lemmata and have it copied out around the Vulgate translation. Rabanus’
work may have been shortened somewhat, but little more has been done to
change it.« ⁵⁴
Einige Zentren, aus denen die wichtigsten Textbestände in der Frühphase der Arbeit
an der Glossierung bezogen wurden, die Schulen der Kathedralen von Laon und
Auxerre, zeigen den indirekten Konnex zur frühmittelalterlichen Wissensproduktion
– beide Kathedralen, aus deren Bücherschätzen Anselm von Laon und sein
Fortsetzer Gilbertus Universalis schöpften, ⁵⁵ waren besonders gut mit dem Erbe
der karolingerzeitlichen klösterlichen Gelehrten Hrabanus Maurus, Paschasius
Radbertus sowie Haimo, Heiric und Remigius von Auxerre ausgestattet. ⁵⁶
53 So De Hamel, Glossed Books (wie Anm. 49), S. 1.; vgl. als weitere Beispiele dieser Vorstellung aber
auch die ansonsten äußerst nuancierte Zusammenfassung bei Joachim Ehlers, Das westliche Europa
(Die Deutschen und das europäische Mittelalter 3), München 2004, S. 289 –290. Ältere Forschungen,
insbesondere die Beryl Smalleys, die spezifisch nach Vorläufern der Arbeitstechnik der Glossierung
und Sentenzenerstellung suchte, widersprechen dem tendenziell, verfolgten aber meist andere Fragen,
vgl. Beryl Smalley, La Glossa Ordinaria. Quelques prédécesseurs d’Anselme de Laon, in: Recherches
de théologie ancienne et médiévale 9, 1937, S. 365 – 400.
54 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), S. 54, insgesamt zu den Quellen der Glossa ordinaria
und dem Forschungsstand dazu ebd., S. 3 – 6, 41– 44; mit dem häufigen Hinweis auf Hrabanus Maurus
ebd., S. 45 –54.
55 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), bes. S. 23 f. mit Verweis auf die karolingerzeitliche
Bibliothek von Laon, S. 29 –31 für die Benutzung von Paschasius Radbertus und die karolingerzeitliche
Bibliothek von Auxerre durch den Glossator Gilbertus Universalis.
56 Vgl. Smith, The Glossa Ordinaria (wie Anm. 49), S. 31.