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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Steckel, Sita: Deuten, Ordnen und Aneignen: Mechanismen der Innovation in der Erstellung hochmittelalterlicher Wissenskompendien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0240
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Deuten, Ordnen und Aneignen | 239
Rupert von Deutz in fortgesetztem Ringen mit den heiligen Schriften immer größere
Ordnungsentwürfe vorlegte, wurde zunehmend auch Wissen ausgegrenzt.
Gerade im allmählich stark umstrittenen Bereich der Sakramententheologie und
der Christologie wurde dies nicht mehr nur als praktisches, sondern zunehmend
auch als theoretisches Problem gesehen. Vor oder neben die bloße Anordnung von
Traditionsbeständen in thematischen oder historischen Zusammenhängen wurden
zunehmend theoretische Reflexionen gestellt, die dem ausgewählten Wissen Autorität
verleihen sollen.
Als paradigmatischen Fall derartiger Positionierung kann man die Selbstabgrenzungen
diskutieren, die Gilbert von Poitiers, der Schüler Anselms von Laon,
vorlegen sollte. Sie verdankten sich wesentlich den intensiven, für zwei Generationen
zwischen c. 1100 und 1150 sehr kämpferischen gelehrten Debatten in der am
stärksten verdichteten Schullandschaft Europas, in Nordfrankreich. Nicht zuletzt
aufgrund von Angriffen gegen Einzelargumentationen entwickelte der in Laon,
Chartres und schließlich Paris tätige Gilbert, ⁹³ wie erwähnt, ein äußerst klares Bewusstsein
»disziplinärer« Grenzen – nämlich der Grenze zwischen dem hermeneutischen
Umgang mit profanen Texten oder andererseits mit der heiligen Schrift. Für
diese Unterscheidung griff er auf die letztlich aristotelische, durch Boethius vermittelte
Unterscheidung von Einzelwissenschaften zurück, unter denen die theologia
als Wissenschaft mit spezifischen Regeln einzuordnen sei. ⁹⁴ Heftigen Anfeindungen
ausgesetzt, verwies Gilbert in seinem Kommentar der boethianischen Werke dann
pointiert darauf, dass für die Theologie teils schwierig zu verstehende Prinzipien
gälten und sie daher nur von einigen wenigen Gelehrten betrieben werden dürfe,
die sich der Regeln im Umgang mit theologischen Fachbegriffen bewusst seien. ⁹⁵ Er
grenzte also einen Wissensbereich theologischer Expertise ab. Seine Werke blieben
hochspezialisiert und auf Detailanalyse von Texten fokussiert. Eine übergreifende
Ordnung gelehrten Wissens gewann er jedoch aus der aristotelischen Idee einer
Wissenschaftseinteilung. Dieser Gedanke wurde in den Schulen in den folgenden
Dekaden stark entfaltet und bildete die Grundlage mehrerer Enzyklopädien, die
entlang eines ordo artium strukturiert waren. ⁹⁶
93 Zu seinem Leben vgl. Gross-Diaz, The Psalms Commentary (wie Anm. 62), S. 1–25; Nielsen, Theology
and Philosophy (wie Anm. 62), S. 25 –189.
94 Vgl. ausführlicher Markus Enders, Zur Bedeutung des Ausdrucks theologia im 12. Jahrhundert und seinen
antiken Quellen, in: What is »theology« in the Middle Ages? Religious cultures of Europe (11 ᵗʰ –15 ᵗʰ
centuries) as reflected in their self-understanding, hg. von Mikolaj Olszewski (Archa Verbi. Subsidia 1),
Münster 2007, S. 19 –38.
95 Vgl. The Commentaries on Boethius by Gilbert of Poitiers, hg. von Nikolaus M. Häring (Studies and
texts/Pontifical Institute of Mediaeval Studies 13), Toronto 1966, bes. Prologus primus, S. 53 –56, sowie
zur theologischen Expertise S. 184.
96 Vgl. Meier, Enzyklopädischer Ordo (wie Anm. 17), S. 516 f.
 
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