Pragmatische Visionäre? | 267
Andere Mendikanten gingen bei diesem Versuch einer »Säuberung der Christenheit«
weiter als Salimbene. Die Mitwirkung der Dominikaner, ⁶⁸ aber auch der
Franziskaner bei der Ausgrenzung, Verurteilung und manchmal auch Vernichtung
von Häretikern und Juden ist bekannt und muss hier nicht weiter behandelt werden.
⁶⁹ Die Anpassung des mendikantischen Weltbildes an die vorherrschenden Sozialformen
des 13. Jahrhunderts führte also nicht auf ganzer Linie zu neuen Formen
der Offenheit, Inklusion oder Toleranz. Wollte man diesen Wandel in einem allegorischen
Bild fassen, könnte man sagen: Die Bettelmönche erweiterten das Haus
der Christenheit um einige Zimmer, sie verstärkten zugleich die Außenwände und
verbarrikadierten die Türen, um die Grenzen zwischen Bewohnern und Nicht-
Bewohnern möglichst sichtbar und stabil zu machen. Bedurfte ein Mehr an innerer
Diversität und Unübersichtlichkeit auch ein Mehr an Markierung der Außengrenzen?
Damit sind wir auf einer eher abstrakten und allgemeinen Ebene angelangt, die
ich kurz in einem letzten Punkt diskutieren will.
Mendikantisierung der Welt?
Die moralische Reform der societas christiana war kein Vorhaben, das Bettelmönche
erdacht hatten, sondern ein Epiphänomen der Kirchengeschichte aller Zeiten ⁷⁰ .
Die Christianisierung selbst bildete
»geistig wie institutionell einen der dominant einheitsstiftenden Faktoren
der europäischen Geschichte. […] Die expansive Römerin Ecclesia wirkte als
Organisatorin und Gleichmacherin. Denn mit der Christianisierung einher
ging das räumliche »Encadrement« Europas durch das Netz von Provinzen,
die oft noch antiken Circumscriptionen folgten, von Diözesen und Pfarreien.
Insofern entstand in der Differenzierung zugleich etwas elementar Gemeinsames
zwischen Schweden und Spanien, Schottland und Ungarn« ⁷¹ .
68 Praedicatores, Inquisitores, Bd. 1: The Dominicans and the medieval inquisition. Acts of the 1 ˢᵗ International
Seminar on the Dominicans and the Inquisition (Dissertationes historicae 29), Rom 2004.
69 Frati minori e inquisizione. Atti del XXXIII Convegno internazionale, Assisi, 6 – 8 ottobre 2005 (Atti
dei Convegni della Società Internazionale di Studi Francescani e del Centro Interuniversitario di Studi
Francescani, Nuova Serie 16), Spoleto 2006. Zur antijüdischen Haltung der Mendikanten vgl. Cohen,
The Friars (wie Anm. 65); Michael Hohlstein, Soziale Ausgrenzung im Medium der Predigt. Der franziskanische
Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien (Norm und Struktur 35), Köln 2012.
70 William J. Dohar, Sufficienter litteratus. Clerical Examination and Instruction for the Cure of Souls,
in: A Distinct Voice. Medieval Studies in Honor of Leonard E. Boyle, hg. von Jacqueline Brown, Notre
Dame, Ind. 1997, S. 305 –321.
71 Johannes Helmrath, Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen
Vergleich, in: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale
Andere Mendikanten gingen bei diesem Versuch einer »Säuberung der Christenheit«
weiter als Salimbene. Die Mitwirkung der Dominikaner, ⁶⁸ aber auch der
Franziskaner bei der Ausgrenzung, Verurteilung und manchmal auch Vernichtung
von Häretikern und Juden ist bekannt und muss hier nicht weiter behandelt werden.
⁶⁹ Die Anpassung des mendikantischen Weltbildes an die vorherrschenden Sozialformen
des 13. Jahrhunderts führte also nicht auf ganzer Linie zu neuen Formen
der Offenheit, Inklusion oder Toleranz. Wollte man diesen Wandel in einem allegorischen
Bild fassen, könnte man sagen: Die Bettelmönche erweiterten das Haus
der Christenheit um einige Zimmer, sie verstärkten zugleich die Außenwände und
verbarrikadierten die Türen, um die Grenzen zwischen Bewohnern und Nicht-
Bewohnern möglichst sichtbar und stabil zu machen. Bedurfte ein Mehr an innerer
Diversität und Unübersichtlichkeit auch ein Mehr an Markierung der Außengrenzen?
Damit sind wir auf einer eher abstrakten und allgemeinen Ebene angelangt, die
ich kurz in einem letzten Punkt diskutieren will.
Mendikantisierung der Welt?
Die moralische Reform der societas christiana war kein Vorhaben, das Bettelmönche
erdacht hatten, sondern ein Epiphänomen der Kirchengeschichte aller Zeiten ⁷⁰ .
Die Christianisierung selbst bildete
»geistig wie institutionell einen der dominant einheitsstiftenden Faktoren
der europäischen Geschichte. […] Die expansive Römerin Ecclesia wirkte als
Organisatorin und Gleichmacherin. Denn mit der Christianisierung einher
ging das räumliche »Encadrement« Europas durch das Netz von Provinzen,
die oft noch antiken Circumscriptionen folgten, von Diözesen und Pfarreien.
Insofern entstand in der Differenzierung zugleich etwas elementar Gemeinsames
zwischen Schweden und Spanien, Schottland und Ungarn« ⁷¹ .
68 Praedicatores, Inquisitores, Bd. 1: The Dominicans and the medieval inquisition. Acts of the 1 ˢᵗ International
Seminar on the Dominicans and the Inquisition (Dissertationes historicae 29), Rom 2004.
69 Frati minori e inquisizione. Atti del XXXIII Convegno internazionale, Assisi, 6 – 8 ottobre 2005 (Atti
dei Convegni della Società Internazionale di Studi Francescani e del Centro Interuniversitario di Studi
Francescani, Nuova Serie 16), Spoleto 2006. Zur antijüdischen Haltung der Mendikanten vgl. Cohen,
The Friars (wie Anm. 65); Michael Hohlstein, Soziale Ausgrenzung im Medium der Predigt. Der franziskanische
Antijudaismus im spätmittelalterlichen Italien (Norm und Struktur 35), Köln 2012.
70 William J. Dohar, Sufficienter litteratus. Clerical Examination and Instruction for the Cure of Souls,
in: A Distinct Voice. Medieval Studies in Honor of Leonard E. Boyle, hg. von Jacqueline Brown, Notre
Dame, Ind. 1997, S. 305 –321.
71 Johannes Helmrath, Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen
Vergleich, in: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale