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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Untermann, Matthias: Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen: Die Baukunst der Bettelorden
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0283
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282 | Matthias Untermann
wissermaßen als Vorläufer nachreformatorischer Tendenzen. Der Blick auf die
Kirchenbauten hätte hier Zweifel hervorrufen können: Nicht die Langhäuser als
Ort der Laienpredigt, sondern die Chorräume als Ort von Hochaltar und Chorgestühl
prägen die Außenerscheinung fast aller Bettelordenskirchen nördlich der
Alpen – überdies sind sie, wie schon in Colmar gesehen, regelhaft reicher gestaltet
und brechen viel seltener mit architektonischen Konventionen. Bei den Franziskanern
wird ein neuer, wohl bei den Regularkanonikern des mittleren 13. Jahrhunderts
entwickelter Bautyp aufgegriffen und zu weiter Verbreitung gebracht, der so
genannte Langchor. ¹⁵ Hier sind in einem einschiffigen Raum der Hochaltar und das
Chorgestühl vereint und zugleich deutlich vom übrigen Kirchenraum abgesetzt,
ja durch den Lettner sogar weitgehend isoliert. Ausgerechnet die Minderbrüder,
die bewusst volksnah leben und auf trennende Rituale althergebrachter Liturgie
verzichten wollten, demonstrierten in ihrer Architektur seit 1260/1270 eine elitäre
Abschließung ihres Konventsgottesdienstes gegenüber dem Laienraum der Kirche.
Benediktinische Chorräume, aber auch die Chorbereiche vieler Dom- und Stiftskirchen
waren mit ihrer Lage in der Vierung oder sogar im Ostteil des Langhauses
räumlich in den Laienraum integriert; ihre Konvente blieben architektonisch erkennbar
Teil des Kirchenvolks – auch wenn hohe Schranken die Chöre umschlossen
oder sie sogar durch Krypteneinbauten im Niveau über den sonstigen Kirchenraum
angehoben waren. Der an den Laienraum angesetzte Langchor ist durchaus
eine Konsequenz dieser Entwicklung, aber keine generelle – er setzte sich zuerst bei
den Franziskanern, später auch bei den anderen Bettelorden durch, während viele
andere Orden bis zum Ende des Mittelalters die alten Dispositionen mit dem Chor
im Kirchenraum beibehielten.
Auffallenderweise hatten die frühen Dominikaner – als Regularkleriker nach
der Augustinusregel – die Choranordnung konventioneller Stiftskirchen übernommen:
In der Dominikanerkirche in Zürich (Abb. 6) ¹⁶ stand das Gestühl anfangs
in der Vierung zwischen zwei Querarmen. Beim Bau eines Langchors bald nach
1325 behielt es seine Position, die Querarme wurden nun aber aus der Nutzung
durch die Laien herausgenommen und zu Nebenräumen reduziert. Auch in der
Dominikanerkirche in Erfurt war das Gestühl um 1270/1280 zunächst in konventioneller
Weise im Ostteil des Mittelschiffs aufgestellt und dreiseitig von Schranken
umschlossen worden; die Seitenschiffe blieben für die Laien zugänglich. Erst nach
15 Andrzej Grzybkowski, Das Problem der Langchöre in Bettelordens-Kirchen im östlichen Mitteleuropa
des 13. Jahrhundert, in: Architectura 13, 1983, S. 152–168; Georges Descœudres, Choranlagen von
Bettelordenskirchen. Tradition und Innovation, in: Kunst und Liturgie. Choranlagen im Spätmittelalter –
ihre Architektur, Ausstattung und Nutzung, hg. von Anna Moraht-Fromm, Ostfildern 2003, S. 11–30.
16 Dölf Wild, Das Predigerkloster in Zürich. Ein Beitrag zur Architektur der Bettelorden im 13. Jahrhundert
(Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 32), Zürich/Egg 1999, S. 177–186.
 
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