Der Aufbau von Landesherrschaften | 315
gen im Ermland, das der direkten Kontrolle des Ordens entzogen war. ⁴⁴ Da auch
prussische Siedlungen nach dem Kulmer Recht umgewandelt worden sind, gab es
ein zumindest weit verbreitetes Recht, das sowohl auf dem Land wie auch in den
meisten Städten gültig war. ⁴⁵
Der Aufbau der Verwaltung des Ordens in Preußen, die Ordnung in den Städten
und auf dem Land ebenso wie die erhöhte Schriftlichkeit infolge einer Rechenschaftspflicht
muten wie Vorformen eines moderneren Staates an, sind aber gleichwohl
dem Mittelalter verhaftet. ⁴⁶ Die drei sogenannten »evangelischen Räte« waren
Klöstern, in diesem Fall den Zisterziensern, nachgestaltet worden. Der Deutsche
Orden hat sie von den Templern übernommen. Den obligatorischen Rat, den die
Oberen von ihren Mitbrüdern einholen sollten, war den Ritterbrüdern aus ihren
Herkunftsfamilien bekannt. Denn Lehnsträger waren ihren Herren zu Rat und Tat
verpflichtet, während der Lehnsherr Rat einzufordern hatte. Siedlungsmaßnahmen
kannten die Ritterbrüder ebenfalls aus der Umgebung, aus der sie gekommen waren.
Aber die straffe Ordnung und Rechtsprechung unter Ausschluss einer Fehde
waren neu, ebenso die sogenannten Dienstlehen, die das Feudalsystem außer Kraft
gesetzt hatten.
Andererseits waren Visitationen und Generalkapitel Formen, die alle Ritterorden
von Mönchsorden übernommen hatten. Dass die Zisterzienser vorbildlich
waren, überrascht nicht, da der Templerorden in Bernhard von Clairvaux, einem
Zisterzienser, einen Fürsprecher hatte, der zumindest zum Teil die Regel des ersten
Ritterordens inspiriert hat. ⁴⁷ Der Deutsche Orden hat das System später von den
Templern übernommen.
Insgesamt gesehen standen die Ritterorden in einer Tradition weltlicher wie
mönchischer Herkunft, haben aber auch Neuerungen hervorgebracht, jedenfalls
dort, wo es ihnen wie dem Deutschen Orden in Preußen, möglich war. In den Balleien
im Deutschen Reich vermag ich keine größeren Innovationen zu erkennen.
Dort erlagen die Ritterbrüder den Einflüssen ihrer Umgebung stärker als in Preu-
44 Biskup/Labuda, Die Geschichte (wie Anm. 36), S. 221 f.
45 Dazu: Dietmar Willoweit, Kulmer Handfeste, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, hg. von Robert
Auty/Robert-Henri Bautier/Norbert Angermann, München/Zürich 1991, Sp. 1564 f. mit weiterer
Literatur. Auch: Sylvain Gouguenheim, Kulmer Handfeste, in: Prier et Combattre. Dictionnaire européen
des ordres militaires au Moyen Âge, hg. von Nicole Bériou/Philippe Josserand, Paris 2009,
S. 530.
46 Skeptischer gegenüber dem relativ modern erscheinenden Verwaltungshandeln des Deutschen Ordens:
Krzysztof Kwiatkowski, Kulturelle Bedingungen der militärischen Aktivität im Spätmittelalter: der Fall
des Preußen(landes) unter der Herrschaft des Deutschen Ordens (I), in: Ordines militares – Colloquia
Torunensia Historica 18, 2013, S. 105 –180, hier S. 135 ff.
47 Vgl. Brian Patrick McGuire, Bernard de Clairvaux, in: Prier et Combattre. Dictionnaire européen des
ordres militaires au Moyen Âge, hg. von Nicole Bériou/Philippe Josserand, Paris 2009, S. 154 f., mit
weiterer Literatur.
gen im Ermland, das der direkten Kontrolle des Ordens entzogen war. ⁴⁴ Da auch
prussische Siedlungen nach dem Kulmer Recht umgewandelt worden sind, gab es
ein zumindest weit verbreitetes Recht, das sowohl auf dem Land wie auch in den
meisten Städten gültig war. ⁴⁵
Der Aufbau der Verwaltung des Ordens in Preußen, die Ordnung in den Städten
und auf dem Land ebenso wie die erhöhte Schriftlichkeit infolge einer Rechenschaftspflicht
muten wie Vorformen eines moderneren Staates an, sind aber gleichwohl
dem Mittelalter verhaftet. ⁴⁶ Die drei sogenannten »evangelischen Räte« waren
Klöstern, in diesem Fall den Zisterziensern, nachgestaltet worden. Der Deutsche
Orden hat sie von den Templern übernommen. Den obligatorischen Rat, den die
Oberen von ihren Mitbrüdern einholen sollten, war den Ritterbrüdern aus ihren
Herkunftsfamilien bekannt. Denn Lehnsträger waren ihren Herren zu Rat und Tat
verpflichtet, während der Lehnsherr Rat einzufordern hatte. Siedlungsmaßnahmen
kannten die Ritterbrüder ebenfalls aus der Umgebung, aus der sie gekommen waren.
Aber die straffe Ordnung und Rechtsprechung unter Ausschluss einer Fehde
waren neu, ebenso die sogenannten Dienstlehen, die das Feudalsystem außer Kraft
gesetzt hatten.
Andererseits waren Visitationen und Generalkapitel Formen, die alle Ritterorden
von Mönchsorden übernommen hatten. Dass die Zisterzienser vorbildlich
waren, überrascht nicht, da der Templerorden in Bernhard von Clairvaux, einem
Zisterzienser, einen Fürsprecher hatte, der zumindest zum Teil die Regel des ersten
Ritterordens inspiriert hat. ⁴⁷ Der Deutsche Orden hat das System später von den
Templern übernommen.
Insgesamt gesehen standen die Ritterorden in einer Tradition weltlicher wie
mönchischer Herkunft, haben aber auch Neuerungen hervorgebracht, jedenfalls
dort, wo es ihnen wie dem Deutschen Orden in Preußen, möglich war. In den Balleien
im Deutschen Reich vermag ich keine größeren Innovationen zu erkennen.
Dort erlagen die Ritterbrüder den Einflüssen ihrer Umgebung stärker als in Preu-
44 Biskup/Labuda, Die Geschichte (wie Anm. 36), S. 221 f.
45 Dazu: Dietmar Willoweit, Kulmer Handfeste, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, hg. von Robert
Auty/Robert-Henri Bautier/Norbert Angermann, München/Zürich 1991, Sp. 1564 f. mit weiterer
Literatur. Auch: Sylvain Gouguenheim, Kulmer Handfeste, in: Prier et Combattre. Dictionnaire européen
des ordres militaires au Moyen Âge, hg. von Nicole Bériou/Philippe Josserand, Paris 2009,
S. 530.
46 Skeptischer gegenüber dem relativ modern erscheinenden Verwaltungshandeln des Deutschen Ordens:
Krzysztof Kwiatkowski, Kulturelle Bedingungen der militärischen Aktivität im Spätmittelalter: der Fall
des Preußen(landes) unter der Herrschaft des Deutschen Ordens (I), in: Ordines militares – Colloquia
Torunensia Historica 18, 2013, S. 105 –180, hier S. 135 ff.
47 Vgl. Brian Patrick McGuire, Bernard de Clairvaux, in: Prier et Combattre. Dictionnaire européen des
ordres militaires au Moyen Âge, hg. von Nicole Bériou/Philippe Josserand, Paris 2009, S. 154 f., mit
weiterer Literatur.