168
IV. Die Edition
Dabei argumentierte Berger nicht allein mit dem Umfang der handschriftlichen
Überlieferung, sondern mit einer klassischen Kosten-Nutzen-Kalkulation:
„Wir bekennen freilich, dass in keiner der Handschriften, die wir angesehen haben,
etwas uns Neues aufgetreten ist, das der Kommentierung oder aber Illustrierung
dienlich wäre. Denn die Handschriften unterscheiden sich weder durch eine Verän-
derung des Erzählten noch durch eine Hinzufügung von Exempeln. Nur im einzel-
nen Wort, nicht aber in der Sache selbst weicht ein Codex vom anderen ab.“5
Mit seiner Einschätzung hatte er nicht ganz Unrecht, denn tatsächlich weist der Text
trotz seiner immensen Überlieferungsbreite eine beachtliche inhaltliche Stabilität
auf. Es wäre also ein Leichtes, sich Berger einfach anschließen und von einer Neu-
auflage des „Bienenbuchs“ abzusehen. Allerdings würde das dem Text, der sich so-
wohl in Inhalt als auch Überlieferung tatsächlich manchmal als „langwieriges und
lästiges Unterfangen“ erweist, sicher nicht gerecht. Gemäß dem von Horst Fuhrmann
so lakonisch formulierten Ansatz „Wer sich vor eine Editionsaufgabe gestellt sieht,
kann das Problem verschieden angehen“,6 sollen im Folgenden bisherige editorische
Vorarbeiten vorgestellt, Grundlagen und Konzept dieser Edition erläutert und sodann
die editorischen Richtlinien dargelegt werden.
IV.l. Editorische Vorarbeiten und Ausgaben des „Bienenbuchs“
Trotz oder vielleicht auch wegen seiner umfangreichen handschriftlichen Überliefe-
rung liegen bislang weder eine moderne Edition der lateinischen Version des Bonum
universale de apibus noch eine umfassende Auswertung des gesamten Werks vor.
Allerdings wurden in den vergangenen zwanzig Jahren mehrere Anläufe zu einer
Neubearbeitung des „Bienenbuchs“ unternommen; sie konnten jedoch entweder nicht
abgeschlossen werden7 oder waren von vorneherein nur auf Teilaspekte des Textes
beschränkt. So veröffentlichte beispielsweise der französische Mediävist Henri
Platelle 1997 unter dem Titel „Die Exempel des ,Bienenbuchs‘. Eine mittelalterliche
Vision“ eine Übersetzung ausgewählter Exempel und stellte ihnen eine grundlegende
5 Berger, Thomae Cantimpratensis, S. 7: Et nos quidem fatemur in omnibus Ulis exemplaribus, quae
vidimus, nihil novi nobis occurisse quod conscribendis rebus illustrandisque moribus prosit. Nam
illa inter se plerumque nec mutata rerum narratione nec adjectis exemplis differunt: verbis tan-
tum, non re ipsa, codex alius ab alio discrepat [...].
6 Fuhrmann, Überlegungen eines Editors, S. 1.
7 So hat Nadia Pollini (Lausanne/Oxford), die für die Neuedition eine Förderung beim Schweize-
rischen Nationalfonds beantragt hatte, in der Zwischenzeit von ihrem Editionsvorhaben Abstand
genommen. Freundliche Auskunft von Nadia Pollini per Email am 08. Februar 2011. Ihre ersten
Befunde hatte sie bereits in zwei Aufsätzen präsentiert, s. Pollini, Les proprietes sowie Pollini, La
nature.
IV. Die Edition
Dabei argumentierte Berger nicht allein mit dem Umfang der handschriftlichen
Überlieferung, sondern mit einer klassischen Kosten-Nutzen-Kalkulation:
„Wir bekennen freilich, dass in keiner der Handschriften, die wir angesehen haben,
etwas uns Neues aufgetreten ist, das der Kommentierung oder aber Illustrierung
dienlich wäre. Denn die Handschriften unterscheiden sich weder durch eine Verän-
derung des Erzählten noch durch eine Hinzufügung von Exempeln. Nur im einzel-
nen Wort, nicht aber in der Sache selbst weicht ein Codex vom anderen ab.“5
Mit seiner Einschätzung hatte er nicht ganz Unrecht, denn tatsächlich weist der Text
trotz seiner immensen Überlieferungsbreite eine beachtliche inhaltliche Stabilität
auf. Es wäre also ein Leichtes, sich Berger einfach anschließen und von einer Neu-
auflage des „Bienenbuchs“ abzusehen. Allerdings würde das dem Text, der sich so-
wohl in Inhalt als auch Überlieferung tatsächlich manchmal als „langwieriges und
lästiges Unterfangen“ erweist, sicher nicht gerecht. Gemäß dem von Horst Fuhrmann
so lakonisch formulierten Ansatz „Wer sich vor eine Editionsaufgabe gestellt sieht,
kann das Problem verschieden angehen“,6 sollen im Folgenden bisherige editorische
Vorarbeiten vorgestellt, Grundlagen und Konzept dieser Edition erläutert und sodann
die editorischen Richtlinien dargelegt werden.
IV.l. Editorische Vorarbeiten und Ausgaben des „Bienenbuchs“
Trotz oder vielleicht auch wegen seiner umfangreichen handschriftlichen Überliefe-
rung liegen bislang weder eine moderne Edition der lateinischen Version des Bonum
universale de apibus noch eine umfassende Auswertung des gesamten Werks vor.
Allerdings wurden in den vergangenen zwanzig Jahren mehrere Anläufe zu einer
Neubearbeitung des „Bienenbuchs“ unternommen; sie konnten jedoch entweder nicht
abgeschlossen werden7 oder waren von vorneherein nur auf Teilaspekte des Textes
beschränkt. So veröffentlichte beispielsweise der französische Mediävist Henri
Platelle 1997 unter dem Titel „Die Exempel des ,Bienenbuchs‘. Eine mittelalterliche
Vision“ eine Übersetzung ausgewählter Exempel und stellte ihnen eine grundlegende
5 Berger, Thomae Cantimpratensis, S. 7: Et nos quidem fatemur in omnibus Ulis exemplaribus, quae
vidimus, nihil novi nobis occurisse quod conscribendis rebus illustrandisque moribus prosit. Nam
illa inter se plerumque nec mutata rerum narratione nec adjectis exemplis differunt: verbis tan-
tum, non re ipsa, codex alius ab alio discrepat [...].
6 Fuhrmann, Überlegungen eines Editors, S. 1.
7 So hat Nadia Pollini (Lausanne/Oxford), die für die Neuedition eine Förderung beim Schweize-
rischen Nationalfonds beantragt hatte, in der Zwischenzeit von ihrem Editionsvorhaben Abstand
genommen. Freundliche Auskunft von Nadia Pollini per Email am 08. Februar 2011. Ihre ersten
Befunde hatte sie bereits in zwei Aufsätzen präsentiert, s. Pollini, Les proprietes sowie Pollini, La
nature.