Metadaten

Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0180
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV.2. Die Erarbeitung des Editionskonzepts

179

Mindestens ein Drittel der konsultierten Handschriften enthält keine der identifizier-
ten Textstellen.38 Diese Gruppe mit Henri Platelle als „Kurzfassung“ zu bezeich-
nen, erscheint angesichts des Umfangs - es fehlen jeweils nur kurze Textpassagen
bzw. ausgewählte Exempel - jedoch etwas überspitzt. Geringfügig modifiziert wird
stattdessen im Folgenden von „kürzerer“, „längerer“ und „Mischfassung“ gespro-
chen. Während acht Handschriften unvollständige Textfassungen beinhalten, handelt
es sich bei mindestens 24 Codices um „Mischfassungen“, die einige, aber nicht alle
der Prüfstellen enthalten.
Nur acht Handschriften bieten alle der betreffenden Prüfstellen (Bl, B5, C, Dol, G,
L2, PI und W2). Sie datieren beinahe ausnahmslos aus dem 15. Jahrhundert und wur-
den in der Region Nordfrankreich / Brabant / Flandern / Holland angefertigt.39 40 41 Diese
Angaben geben noch keinen Aufschluss darüber, ob die jeweiligen Textpassagen be-
reits im Original enthalten waren oder dieser Gruppe der „längeren Fassung“ später
hinzugefügt wurden - thematisch und zeitlich passen alle Erzählungen in den Kon-
text des „Bienenbuchs“. Bessere Anhaltspunkte liefert dagegen eine kodikologische
und inhaltliche Spurensuche.
In Handschrift W2 beispielsweise wurden auf fol. 63v bzw. 65v die Textpassagen
aus BUA 11,29,11-16 explizit als „Hinzufügung“ (additio) bezeichnet bzw. ihr Ende
eindeutig als Ergänzung markiert (usque hic)w Dies legt nahe, dass es sich um eine
spätere Hinzufügung handelt, die bereits von den Zeitgenossen als solche erkannt
wurde. Diese Hypothese wird durch die besondere Struktur einer Handschrift aus
Münster bestätigt, die allerdings nicht zur Gruppe der „längeren Fassungen“ gehört.
Im Münsteraner Codex befinden sich am Beginn, nach dem Register zu BUA I (fol.
lv-2v) und vor dem eigentlichen Haupttext, auf fol. 3r-5v die Prüfstellen BUA 11,1,15
und BUA 11,29,11-16. Im Haupttext wurde an der Stelle, an der diese Auszüge jeweils
zu verorten sind, ein betreffender Vermerk gemacht (vgl. fol. 31v: hic est defectus
decem exemplorum que ante primum librum habentur oder fol. 63r: hic est defectus
quinque exemplorum que reperies ante primum librum) f
Um die These der späteren Hinzufügung zu stützen, lassen sich auch inhaltliche
Argumente anführen. Die in BUA 11,29,11-16 zusammengetragenen Exempel
handeln mehrheitlich von Thomas von Canterbury. Möglicherweise wurden sie
nachträglich eingefügt, weil man Thomas Cantuarensis mit Thomas von Cantimpre
38 Es handelt sich um 35 Handschriften. 15 weitere Handschriften, die vier der genannten fünf Text-
stellen nicht enthalten, können ggf. dazu gerechnet werden; sie wurden jedoch vor der Identifizie-
rung von BUA 11,10,21 eingesehen, weshalb die Daten zu ihnen nicht vollständig sind. Zu Platelles
Terminologie der „version longue“ und „version breve“ s. Platelle, Les exemples, S. 7, Anm. 4.
39 Gesicherte Provenienzen sind Brüssel (Bl), Delft (B5), Paris (PI), Cambrai (C), Hoern/Utrecht
(L2), Antwerpen (G) und Löwen (W2). S. dazu die Informationen in Anhang 01.
40 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, cod. 14073. S. dazu auch die Handschriftenbeschrei-
bung in Abschnitt IV.4.3.
41 Alle Stellen in: Münster, NRW Landesarchiv, Findbuch A 10, Bd. 5, Manuskripte VII, Nr. 16.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften