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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0060
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3.1 „Wissenschaftlichkeit“ Gerhochs oder zum Umgang mit den Autoritäten

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Ein weiterer Aspekt, der im Umgang Gerhochs mit den Randglossen auffällt, ist
die im Prolog von ihm selbst thematisierte Unveränderbarkeit dieser Zitate kanonis-
tischer und patristischer Autoritäten, „denen nichts hinzugefügt und nichts entnom-
men werden dürfe.“308 An diese Unveränderbarkeit der Autoritätenzitate hält sich
Gerhoch jedoch nicht immer, wie unter anderem der bereits oben zitierte Zusatz unter
dem Beschluss der römischen Synode Alexanders II. von 1063 belegt.309 Der hinzu-
gefügte Aufruf an den Leser ist in der Leithandschrift direkt in die Glosse integriert
und in keinster Weise vom übrigen Text abgehoben.
Eine solche Ergänzung eines Autoritätenzitates findet sich noch an zwei weiteren
Stellen. Auf Folio 69r zitiert Gerhoch aus einem Brief Gregors des Großen an den
Bischof Syagrius von Autun, in dem es um die Verwerflichkeit von Almosen geht, die
aus simonistischen Handlungen erworben und dann der Kirche gespendet wurden.310
Gerhoch erweitert diese Randglosse um folgenden Zusatz: „Bei diesen Worten des
heiligen Gregor sollen die Mönche und die Regularkanoniker sorgfältig zur Kenntnis
nehmen, dass sie unter Gefahr für ihr Seelenheil in den Konventen von solchen Her-
ren bleiben oder durch die Gaben von Menschen genährt werden, von denen sie wis-
sen, dass es gottesfrevlerische Besitzer von Kirchengütern und beharrliche Verteidi-
ger dieser Gewohnheit sind.“311 Durch diese Ergänzung ruft Gerhoch reguliert
lebende Mönche und Kanoniker zum Widerstand gegen die Entfremdung von Kir-
chengut auf, da sie durch die stillschweigende Akzeptanz dieser Praxis ihr Seelenheil
gefährden würden.312
Bei dem Zitat aus der römischen Herbstsynode vom 19. November 1078 unter dem
Vorsitz Papst Gregors VII. fügt Gerhoch am Ende ebenfalls einen ergänzenden Zu-
satz an.313 Der Konzilsbeschluss behandelt die unrechtmäßige Vergabe beziehungs-
weise Aneignung kirchlicher Landgüter durch Krieger oder andere Personen und
droht die Exkommunikation an, falls diese nicht den Kirchen als rechtmäßige Eigen-
tümer zurückerstattet werden.314 Gerhoch betont im Anschluss daran, dass die
Entfremdung von Kirchengütern dennoch unter Androhung der Exkommunikation
verurteilt werde, auch wenn sie durch die verkommene Zustimmung der Prälaten
308 Auctoritates uero patrum, quibus nec addi nec decerpi quicquam licuit... Gerhoch von Reichers-
berg, De aedificio Dei, 1. Prolog, S. 130.
309 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 34 (fol. llr).
310 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 170-172 (fol. 69r); Gregor der Große, Registrum epistularum IX,
219, ed. Norberg, CCSL 140A, S. 785-786.
311 In his uerbis beati Gregorii diligenter notent monachi et ceteri religiosi canonici, cpiodpericulose
in talium dominorum claustris morantur aut aliquorum hominum elemosinis pascuntur, quos sci-
unt sacrilegos qcclesiasticarum rerum possessores et huius consuetudinis pertinaces defensores.
Gerhoch von Reichersberg, De aedißcio Dei, Auctoritates, Teilband II, S. 170-172 (fol. 69r).
312 Vgl. Gerhoch von Reichersberg, De aedißcio Dei, cap. 143, S. 466.
313 Vgl. Register Gregors VII., lib. VI, 5b, ed. Caspar, MGH Epp. sei. 2, 2, S. 400-406. Vgl. Gresser,
Synoden und Konzilien, S. 177-186.
314 Siehe Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, Auctoritates, Teilband II, S. 184 (fol. 83r).
 
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