Metadaten

Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0018
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung des Herausgebers

XVII

die Gegenwart hineinwirken und das Leben der Menschen im modernen Zeitalter
wesentlich mitbestimmen.
Was die Prägung des Wortes »Achsenzeit« betrifft, gilt Jaspers allgemein als der Er-
finder dieser Bezeichnung. Er hat die damit verbundene These erstmals bei einem Vor-
trag referiert, den er bei den »Rencontres Internationales« im September 1946 in Genf
gehalten hat.28 Wer ihn für den Gebrauch des Wortes »Achsenzeit« beeinflusst haben
könnte, ist nicht eindeutig feststellbar. Möglicherweise hat ihn eine Wortverwendung
Hegels inspiriert. In Vom Ursprung und Ziel der Geschichte erwähnt Jaspers die Auffas-
sung von Hegel, wonach die Erscheinung des Gottessohnes Jesus Christus die »Achse
der Weltgeschichte« sei.29 In der vier Jahre später publizierten Einführung in die Philo-
sophie findet sich im Zusammenhang mit einer kurzen Darstellung der Achsenzeit-
these das direkte Zitat: »Hegel sagte: >Alle Geschichte geht zu Christus hin und kommt
von ihm her. Die Erscheinung des Gottessohnes ist die Achse der Weltgeschichten«30
Hinsichtlich der Theorie der Achsenzeit ist ein starker Einfluss von Alfred Weber
offensichtlich, der in zwei geschichtsphilosophischen Werken eine ähnliche These
vertreten hat. Allerdings gibt Weber einen etwas anderen Zeitrahmen für jene heraus-
ragende Zeitepoche an, die Jaspers »Achsenzeit« nennt. Weber verwendet dafür den
Terminus »synchronistisches Weltzeitalter« und setzt diese Periode in der Weltge-
schichte vom 9. bis zum 6. Jahrhundert vor Christus an.31 Jaspers macht auf diese Ähn-
lichkeit selber aufmerksam, indem er eine relevante Passage aus Webers Buch direkt
zitiert.32 Auch in Bezug auf die »großen Geister«, die den geistigen und kulturellen Um-
bruch in den drei Welten (China, Indien, Abendland) herbeigeführt haben, gibt es
viele Übereinstimmungen mit den Personen, die Weber als Verursacher der »geistigen
Bewegung« in diesen Kulturen ansieht und in einer »synchronistischen Tabelle« am
Schluss seines Buches Das Tragische und die Geschichte hervorgehoben hat.33 Aus Jaspers’

28 Vgl. K. Jaspers: »Vom europäischen Geist«, 278. Bei dieser Konferenz, die der geistigen Neuorien-
tierung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet war, geriet Jaspers in eine öffentliche
Konfrontation mit Georg Lukäcs und dessen marxistischen Grundanschauungen.
29 K. Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, in diesem Band, 17.
30 K. Jaspers: Einführungin die Philosophie, 97. Dieses von Jaspers ohne Seitenreferenz angegebene Zi-
tat konnte bei Hegel nicht nachgewiesen werden. Bei ihm heißt es in einer ähnlichen Stelle viel-
mehr, dass die Geburt Christi und das Bewusstsein Gottes als Dreieinigkeit das »neue Prinzip«
und die »Angel« seien, um die sich die Weltgeschichte dreht (G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die
Philosophie der Geschichte, in: Sämtliche Werke, Bd. XI, hg. von H. Glöckner, Jubiläumsausgabe,
Stuttgart 1939, 410). Es liegt nahe, dass Jaspers in seiner Formulierung einfach »Angel« durch
»Achse« ersetzt hat.
31 Vgl. A. Weber: Kulturgeschichte als Kultursoziologie [1935], in: Alfred Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1, hg.
von E. Demm, Marburg 1997, 67.
32 K. Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, in diesem Band, 60, Fußnote i.
33 Vgl. A. Weber: Das Tragische und die Geschichte [1943], in: Alfred Weber-Gesamtausgabe, Bd. 2, hg.
von R. Bräu, Marburg 1998,392-393. Aus dem Briefwechsel zwischen Weber und Jaspers geht her-
vor, dass Weber reklamiert hat, für Jaspers sei sein Buch »offenbar nicht existent« gewesen, ob-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften