18 Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
Iran lehrte Zarathustra das fordernde Weltbild des Kampfes zwischen Gut und Böse, -
in Palästina traten die Propheten auf von Elias über Jesaias und Jeremias bis zu Deutero-
jesaias, - Griechenland sah Homer, die Philosophen - Parmenides, Heraklit, Plato - und
die Tragiker, Thukydides und Archimedes. Alles, was durch solche Namen9 nur ange-
deutet ist, erwuchs in diesen wenigen Jahrhunderten annähernd gleichzeitig in China,
Indien und dem Abendland,10 ohne daß sie gegenseitig voneinander wußten.
Das Neue dieses Zeitalters ist in allen drei Welten, daß der Mensch sich des Seins
im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewußt wird. Er erfährt die Furchtbarkeit
der Welt und die eigene Ohnmacht. Er stellt radikale Fragen. Er drängt vor dem Ab-
grund auf Befreiung und Erlösung. Indem er mit Bewußtsein seine Grenzen erfaßt,
steckt er sich die höchsten Ziele. Er erfährt die Unbedingtheit in der Tiefe des Selbst-
seins und in der Klarheit der Transzendenz.
Das geschah in Reflexion. Bewußtheit machte noch einmal das Bewußtsein be-
wußt, das Denken richtete sich auf das Denken. Es erwuchsen geistige Kämpfe mit den
Versuchen, den Andern zu überzeugen durch Mitteilung von Gedanken, Gründen, Er-
fahrungen. Es wurden die widersprechendsten Möglichkeiten versucht. Diskussion,
Parteibildung, Zerspaltung des Geistigen, das sich doch im Gegensätzlichen aufeinan-
der bezog, ließen Unruhe und Bewegung entstehen bis an den Rand des geistigen
Chaos.
In diesem Zeitalter wurden die Grundkategorien hervorgebracht, in denen wir bis
heute denken, und es wurden die Ansätze der Weltreligionen geschaffen, aus denen
2i die Menschen | bis heute leben. In jedem Sinne wurde der Schritt ins Universale getan.
Durch diesen Prozeß wurden die bis dahin unbewußt geltenden Anschauungen,
Sitten und Zustände der Prüfung unterworfen, in Frage gestellt, aufgelöst. Alles geriet
in einen Strudel. Soweit die überlieferte Substanz noch lebendig und wirklich war,
wurde sie in ihren Erscheinungen erhellt und damit verwandelt.
Das mythische Zeitalter war in seiner Ruhe und Selbstverständlichkeit zu Ende. Die grie-
chischen, indischen, chinesischen Philosophen und Buddha waren in ihren entschei-
denden Einsichten, die Propheten in ihrem Gottesgedanken unmythisch. Es begann
der Kampf gegen den Mythos von seifen der Rationalität und der rational geklärten
Erfahrung (der Logos gegen den Mythos), - weiter der Kampf um die Transzendenz des
Einen Gottes gegen die Dämonen, die es nicht gibt, - und der Kampf gegen die unwah-
ren Göttergestalten aus ethischer Empörung gegen sie. Die Gottheit wurde gesteigert
durch Ethisierung der Religion. Der Mythos aber wurde zum Material einer Sprache,
die in ihm ganz anderes kundgab als ursprünglich in ihm lag, ihn zum Gleichnis
machte. Mythen wurden umgeformt, aus neuer Tiefe erfaßt in diesem Übergang, der
auf neue Weise mythenschöpferisch war im Augenblick, als der Mythos im Ganzen
zerstört wurde. Die alte mythische Welt sank langsam ab, blieb aber der Hintergrund
Iran lehrte Zarathustra das fordernde Weltbild des Kampfes zwischen Gut und Böse, -
in Palästina traten die Propheten auf von Elias über Jesaias und Jeremias bis zu Deutero-
jesaias, - Griechenland sah Homer, die Philosophen - Parmenides, Heraklit, Plato - und
die Tragiker, Thukydides und Archimedes. Alles, was durch solche Namen9 nur ange-
deutet ist, erwuchs in diesen wenigen Jahrhunderten annähernd gleichzeitig in China,
Indien und dem Abendland,10 ohne daß sie gegenseitig voneinander wußten.
Das Neue dieses Zeitalters ist in allen drei Welten, daß der Mensch sich des Seins
im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewußt wird. Er erfährt die Furchtbarkeit
der Welt und die eigene Ohnmacht. Er stellt radikale Fragen. Er drängt vor dem Ab-
grund auf Befreiung und Erlösung. Indem er mit Bewußtsein seine Grenzen erfaßt,
steckt er sich die höchsten Ziele. Er erfährt die Unbedingtheit in der Tiefe des Selbst-
seins und in der Klarheit der Transzendenz.
Das geschah in Reflexion. Bewußtheit machte noch einmal das Bewußtsein be-
wußt, das Denken richtete sich auf das Denken. Es erwuchsen geistige Kämpfe mit den
Versuchen, den Andern zu überzeugen durch Mitteilung von Gedanken, Gründen, Er-
fahrungen. Es wurden die widersprechendsten Möglichkeiten versucht. Diskussion,
Parteibildung, Zerspaltung des Geistigen, das sich doch im Gegensätzlichen aufeinan-
der bezog, ließen Unruhe und Bewegung entstehen bis an den Rand des geistigen
Chaos.
In diesem Zeitalter wurden die Grundkategorien hervorgebracht, in denen wir bis
heute denken, und es wurden die Ansätze der Weltreligionen geschaffen, aus denen
2i die Menschen | bis heute leben. In jedem Sinne wurde der Schritt ins Universale getan.
Durch diesen Prozeß wurden die bis dahin unbewußt geltenden Anschauungen,
Sitten und Zustände der Prüfung unterworfen, in Frage gestellt, aufgelöst. Alles geriet
in einen Strudel. Soweit die überlieferte Substanz noch lebendig und wirklich war,
wurde sie in ihren Erscheinungen erhellt und damit verwandelt.
Das mythische Zeitalter war in seiner Ruhe und Selbstverständlichkeit zu Ende. Die grie-
chischen, indischen, chinesischen Philosophen und Buddha waren in ihren entschei-
denden Einsichten, die Propheten in ihrem Gottesgedanken unmythisch. Es begann
der Kampf gegen den Mythos von seifen der Rationalität und der rational geklärten
Erfahrung (der Logos gegen den Mythos), - weiter der Kampf um die Transzendenz des
Einen Gottes gegen die Dämonen, die es nicht gibt, - und der Kampf gegen die unwah-
ren Göttergestalten aus ethischer Empörung gegen sie. Die Gottheit wurde gesteigert
durch Ethisierung der Religion. Der Mythos aber wurde zum Material einer Sprache,
die in ihm ganz anderes kundgab als ursprünglich in ihm lag, ihn zum Gleichnis
machte. Mythen wurden umgeformt, aus neuer Tiefe erfaßt in diesem Übergang, der
auf neue Weise mythenschöpferisch war im Augenblick, als der Mythos im Ganzen
zerstört wurde. Die alte mythische Welt sank langsam ab, blieb aber der Hintergrund