Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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gibt es allein in der methodisch bewußten zwingenden Wissenschaft, welche einer Aus-
breitung über die Welt ohne Verwandlung fähig ist, und für die alle zur Mitarbeit beru-
fen sind), aber das eigentlich und unbedingt Wahre, das von uns Menschen geschicht-
lich aus verschiedenen Ursprüngen gelebt wird, erblickt und hört sich gegenseitig.
Fasse ich zusammen: Aus der Anschauung der Achsenzeit erfolgen die Fragen und
Maßstäbe an alle vorhergehende und alle weitere Entwicklung. Die vorhergehenden
Hochkulturen verlieren ihre Gestalt. Die sie tragenden Völker werden unsichtbar, in-
dem sie der Bewegung der Achsenzeit sich anschließen. Die vorgeschichtlichen Völ-
ker bleiben solange vorgeschichtlich, bis sie aufgehen in der von der Achsenzeit aus-
gehenden geschichtlichen Bewegung, oder sie sterben aus. Die Achsenzeit assimiliert
alles übrige. Von ihr aus erhält die Weltgeschichte die einzige Struktur und Einheit,
die durchhält oder doch bis heute durchgehalten hat.
| c. Prüfung der These von der Achsenzeit
28
1. Ist der Tatbestand gegeben?
Die ältesten mir bekannten Erörterungen des Tatbestandes finden sich bei Lasaulx und
bei Viktor von Strauß.
Lasaulx12 (Neuer Versuch einer Philosophie der Geschichte, München 1856, S. 115)
schreibt: »Es kann unmöglich ein Zufall sein, daß ungefähr gleichzeitig, sechshundert
Jahre vor Christus, in Persien Zarathustra, in Indien Gautama-Buddha, in China Kon-
futse, unter den Juden die Propheten, in Rom der König Numa und in Hellas die ersten
Philosophen, Jonier, Dorier, Eleaten, als die Reformatoren der Volksreligion auftreten.«
Bei Viktor von Strauß13 in seinem wundervollen Laotse-Kommentar, S. LXIV (1870)
heißt es: »In den Jahrhunderten, da in China Laotse und Kungtse lebten, ging eine
wundersame Geistesbewegung durch alle Kulturvölker. In Israel weissagten Jeremias,
Habakuk, Daniel, Ezechiel, und in einem erneuerten Geschlechte wurde (521-516) der
zweite Tempel in Jerusalem erbaut. Bei den Griechen lebte Thales noch: Anaximan-
der, Pythagoras, Heraklit, Xenophanes traten auf, Parmenides wurde geboren. Unter
den Persern scheint eine bedeutende Reformation der alten Lehre Zarathustras durch-
geführt zu sein. Und in Indien trat Schakia-Muni hervor, der Stifter des Buddhismus.«
Seitdem ist der Tatbestand hin und wieder bemerkt, aber beiläufig. Im Ganzen, mit
der Absicht, die universale, das gesamte geistige Sein der damaligen Menschheit tref-
fende Parallele herzustellen, ist die Sache, soviel ich sehe, nicht erfaßt worden. Suchen
wir uns Einwände zu machen:
1. Ein Einwand ist, das Gemeinsame sei scheinbar. Die Unterschiede seien so groß, die
Unterschiede der Sprachen, der Rassen, der Art der Großreiche, der Weise geschichtli-
cher Erinnerung, - daß das Gemeinsame dagegen wie eine Reihe von Zufällen wirke.
Jede bestimmte Formulierung des Gemeinsamen im Ganzen werde durch Tatbestände
widerlegt. Oder es gelte eben der triviale Satz, daß bei Menschen im Grunde alles über-
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gibt es allein in der methodisch bewußten zwingenden Wissenschaft, welche einer Aus-
breitung über die Welt ohne Verwandlung fähig ist, und für die alle zur Mitarbeit beru-
fen sind), aber das eigentlich und unbedingt Wahre, das von uns Menschen geschicht-
lich aus verschiedenen Ursprüngen gelebt wird, erblickt und hört sich gegenseitig.
Fasse ich zusammen: Aus der Anschauung der Achsenzeit erfolgen die Fragen und
Maßstäbe an alle vorhergehende und alle weitere Entwicklung. Die vorhergehenden
Hochkulturen verlieren ihre Gestalt. Die sie tragenden Völker werden unsichtbar, in-
dem sie der Bewegung der Achsenzeit sich anschließen. Die vorgeschichtlichen Völ-
ker bleiben solange vorgeschichtlich, bis sie aufgehen in der von der Achsenzeit aus-
gehenden geschichtlichen Bewegung, oder sie sterben aus. Die Achsenzeit assimiliert
alles übrige. Von ihr aus erhält die Weltgeschichte die einzige Struktur und Einheit,
die durchhält oder doch bis heute durchgehalten hat.
| c. Prüfung der These von der Achsenzeit
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1. Ist der Tatbestand gegeben?
Die ältesten mir bekannten Erörterungen des Tatbestandes finden sich bei Lasaulx und
bei Viktor von Strauß.
Lasaulx12 (Neuer Versuch einer Philosophie der Geschichte, München 1856, S. 115)
schreibt: »Es kann unmöglich ein Zufall sein, daß ungefähr gleichzeitig, sechshundert
Jahre vor Christus, in Persien Zarathustra, in Indien Gautama-Buddha, in China Kon-
futse, unter den Juden die Propheten, in Rom der König Numa und in Hellas die ersten
Philosophen, Jonier, Dorier, Eleaten, als die Reformatoren der Volksreligion auftreten.«
Bei Viktor von Strauß13 in seinem wundervollen Laotse-Kommentar, S. LXIV (1870)
heißt es: »In den Jahrhunderten, da in China Laotse und Kungtse lebten, ging eine
wundersame Geistesbewegung durch alle Kulturvölker. In Israel weissagten Jeremias,
Habakuk, Daniel, Ezechiel, und in einem erneuerten Geschlechte wurde (521-516) der
zweite Tempel in Jerusalem erbaut. Bei den Griechen lebte Thales noch: Anaximan-
der, Pythagoras, Heraklit, Xenophanes traten auf, Parmenides wurde geboren. Unter
den Persern scheint eine bedeutende Reformation der alten Lehre Zarathustras durch-
geführt zu sein. Und in Indien trat Schakia-Muni hervor, der Stifter des Buddhismus.«
Seitdem ist der Tatbestand hin und wieder bemerkt, aber beiläufig. Im Ganzen, mit
der Absicht, die universale, das gesamte geistige Sein der damaligen Menschheit tref-
fende Parallele herzustellen, ist die Sache, soviel ich sehe, nicht erfaßt worden. Suchen
wir uns Einwände zu machen:
1. Ein Einwand ist, das Gemeinsame sei scheinbar. Die Unterschiede seien so groß, die
Unterschiede der Sprachen, der Rassen, der Art der Großreiche, der Weise geschichtli-
cher Erinnerung, - daß das Gemeinsame dagegen wie eine Reihe von Zufällen wirke.
Jede bestimmte Formulierung des Gemeinsamen im Ganzen werde durch Tatbestände
widerlegt. Oder es gelte eben der triviale Satz, daß bei Menschen im Grunde alles über-