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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0061
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

schengruppen oder Völkern, die ihrer Veranlagung nach (d. h. nach den geistigen Kräf-
ten, die in ihnen verschlossen waren) überhaupt über dieses Stadium hinausgelangen
konnten, den Eintritt in diejenigen Bahnen ermöglichte, die zur Entstehung einer wei-
ter fortschreitenden Kultur führten.« Die Parallelerscheinungen wären also gleichzei-
tige Hervortreibungen aus der biologischen Entwicklung der Menschen als Glieder der
gleichartigen Menschheit. Was vermöge des gemeinsamen biologischen Ursprungs in
ihnen angelegt ist, das tritt gleichzeitig und unabhängig in Erscheinung wie etwa im
Lebenslauf von einander getrennter eineiiger Zwillinge.
35 | Dieser Gedanke aber ist eine Redewendung, die nichts erklärt. Der Gedanke ist
leer, weil keine weitere Forschung durch ihn möglich wird. Die »Entwicklung des ge-
nus homo« ist keine als solche faßliche Realität, mit der irgend etwas zu begründen
möglich wäre. Und vor allem würde diese biologische Entwicklung nur von einem klei-
nen, zerstreuten Teil innerhalb der Menschheit, nicht von der Menschheit vollzogen.
Das Geheimnis des gleichzeitigen Beginns der Achsenzeit scheint mir nun aber von
ganz anderer Tiefenlage als die Frage nach der Entstehung jener Hochkulturen. Erstens
ist die Gleichzeitigkeit viel exakter, zweitens aber bezieht sie sich auf geistig-geschicht-
liche Entwicklungen des bewußten, denkenden Menschseins im Ganzen. In den drei
Bereichen, die schon von Beginn der alten Hochkulturen an einzig waren, vollzogen
sich in dem letzten Jahrtausend vor Christus Schöpfungen, auf denen alle Geschichte
des menschlichen Geistes seitdem beruht.
Diese Entwicklungen sind im Ursprung selbständig. Reale Mitteilungen und Anre-
gungen sind ausgeschlossen. Erst seit dem Eindringen des Buddhismus nach China
am Schluß der Achsenzeit ist eine geistig tiefgehende Kommunikation zwischen In-
dien und China entstanden. Zwischen Indien und dem Abendland waren zwar stets
Beziehungen, weitgehende jedoch erst in der Römerzeit über Alexandria. Aber der Ur-
sprung dieser Entwicklungen wird überhaupt nicht, der weitere Gang nicht sichtbar
durch die Beziehungen zwischen Indien und Abendland betroffen.
Vergegenwärtigen wir, wie man das Geheimnis erklärt hat:
Lasaulx schreibt: »Es kann dieses merkwürdige Zusammentreffen nur in der inne-
ren substantiellen Einheit des menschheitlichen Lebens und des Völkerlebens, nur in
einer gemeinsamen alle Völker bewegenden Schwingung des menschheitlichen Ge-
samtlebens seinen Grund haben, nicht in der besonderen Effloreszenz eines Volks-
geistes.«21 Aber das ist keine Erklärung, sondern nur eine Umschreibung des Geheim-
nisses.
V. v. Strauß spricht von einem geheimen Gesetz: »Diese Erscheinung, der es nicht
36 an Parallelen in der Geschichte fehlt | und die auf sehr geheimnisvolle Gesetze schlie-
ßen läßt, dürfte einerseits zwar ihre Begründung in dem Gesamtorganismus der
Menschheit vermöge ihres einheitlichen Ursprungs finden, andererseits aber das Ein-
 
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