Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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Die Geschichte im engeren Sinne läßt sich im Schema etwa auf folgende Weise vor
Augen stellen:
Aus der dunklen Welt der Jahrhunderttausende langen Vorgeschichte und des Jahr-
zehntausende währenden Lebens uns ähnlicher Menschen erwachen seit Jahrtausen-
den v. Chr. die alten Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten, im Indusgebiet und
am Hoang-ho.
Auf den Erdball im Ganzen gesehen sind das Lichtinseln in der breiten Masse aller
übrigen Menschen, in dem noch immer, bis nahe an unsere Gegenwart, allumfassen-
den Raum der Naturvölker.
Aus den alten Hochkulturen, in ihnen selber oder in ihrem Umkreis, erwächst in
der Achsenzeit von 800-200 v. Chr. die geistige Grundlegung der Menschheit, und
zwar an drei von einander unabhängigen Stellen, dem in Orient-Okzident polarisier-
ten Abendland, in Indien und China.
Das Abendland bringt seit dem Ende des Mittelalters in Europa die moderne Wis-
senschaft und mit ihr seit dem Ende des 18. Jahrhunderts das technische Zeitalter her-
vor - das erste seit der Achsenzeit geistig und materiell wirklich völlig neue Ereignis.
Von Europa her wurde Amerika bevölkert und geistig begründet, wurde Rußland,
das seine Wurzel im östlichen Christentum hat, im Rationalen und Technischen ent-
scheidend gestaltet, | während es seinerseits ganz Nordasien bis an den Stillen Ozean 45
besiedelte.
Die heutige Welt mit ihren großen Blöcken Amerika und Rußland, mit Europa, In-
dien und China, mit Vorderasien, Südamerika und den übrigen Gebieten der Erde, ist
im langsamen Prozeß seit dem 16. Jahrhundert zu der durch die Technik ermöglich-
ten faktischen Verkehrseinheit geworden, die in Kampf und Spaltung doch zuneh-
mend auf die politische Vereinigung drängt, sei es gewaltsam in einem despotischen
Weltimperium, sei es durch Verständigung in einer Weltordnung des Rechts.
Man kann sagen: Es gab bisher noch keine Weltgeschichte, sondern nur ein Aggre-
gat von Lokalgeschichten.
Was wir Geschichte nennen, und was im bisherigen Sinne nun zu Ende ist, das
war der Zwischenaugenblick von fünftausend Jahren zwischen der durch vorge-
schichtliche Jahrhunderttausende sich erstreckenden Besiedlung des Erdballs und
dem heutigen Beginn der eigentlichen Weltgeschichte. Vor der Geschichte fand in
der Vereinzelung der menschlichen Gruppen ohne Bewußtsein ihres Zusammen-
hangs ein durchweg nur wiederholendes Weiterleben statt, noch nahe verwandt dem
Naturgeschehen. Dann aber war unsere kurze bisherige Geschichte gleichsam das
Sichtreffen, das Sichversammeln der Menschen zur Aktion der Weltgeschichte, war
der geistige und technische Erwerb der Ausrüstung zum Bestehen der Reise. Wir fan-
gen gerade an.
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Die Geschichte im engeren Sinne läßt sich im Schema etwa auf folgende Weise vor
Augen stellen:
Aus der dunklen Welt der Jahrhunderttausende langen Vorgeschichte und des Jahr-
zehntausende währenden Lebens uns ähnlicher Menschen erwachen seit Jahrtausen-
den v. Chr. die alten Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten, im Indusgebiet und
am Hoang-ho.
Auf den Erdball im Ganzen gesehen sind das Lichtinseln in der breiten Masse aller
übrigen Menschen, in dem noch immer, bis nahe an unsere Gegenwart, allumfassen-
den Raum der Naturvölker.
Aus den alten Hochkulturen, in ihnen selber oder in ihrem Umkreis, erwächst in
der Achsenzeit von 800-200 v. Chr. die geistige Grundlegung der Menschheit, und
zwar an drei von einander unabhängigen Stellen, dem in Orient-Okzident polarisier-
ten Abendland, in Indien und China.
Das Abendland bringt seit dem Ende des Mittelalters in Europa die moderne Wis-
senschaft und mit ihr seit dem Ende des 18. Jahrhunderts das technische Zeitalter her-
vor - das erste seit der Achsenzeit geistig und materiell wirklich völlig neue Ereignis.
Von Europa her wurde Amerika bevölkert und geistig begründet, wurde Rußland,
das seine Wurzel im östlichen Christentum hat, im Rationalen und Technischen ent-
scheidend gestaltet, | während es seinerseits ganz Nordasien bis an den Stillen Ozean 45
besiedelte.
Die heutige Welt mit ihren großen Blöcken Amerika und Rußland, mit Europa, In-
dien und China, mit Vorderasien, Südamerika und den übrigen Gebieten der Erde, ist
im langsamen Prozeß seit dem 16. Jahrhundert zu der durch die Technik ermöglich-
ten faktischen Verkehrseinheit geworden, die in Kampf und Spaltung doch zuneh-
mend auf die politische Vereinigung drängt, sei es gewaltsam in einem despotischen
Weltimperium, sei es durch Verständigung in einer Weltordnung des Rechts.
Man kann sagen: Es gab bisher noch keine Weltgeschichte, sondern nur ein Aggre-
gat von Lokalgeschichten.
Was wir Geschichte nennen, und was im bisherigen Sinne nun zu Ende ist, das
war der Zwischenaugenblick von fünftausend Jahren zwischen der durch vorge-
schichtliche Jahrhunderttausende sich erstreckenden Besiedlung des Erdballs und
dem heutigen Beginn der eigentlichen Weltgeschichte. Vor der Geschichte fand in
der Vereinzelung der menschlichen Gruppen ohne Bewußtsein ihres Zusammen-
hangs ein durchweg nur wiederholendes Weiterleben statt, noch nahe verwandt dem
Naturgeschehen. Dann aber war unsere kurze bisherige Geschichte gleichsam das
Sichtreffen, das Sichversammeln der Menschen zur Aktion der Weltgeschichte, war
der geistige und technische Erwerb der Ausrüstung zum Bestehen der Reise. Wir fan-
gen gerade an.