Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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Die Ordnungsgestalt würde im ersten Falle die Friedensruhe einer Despotie sein, im
zweiten Falle eine in ständiger demokratischer Unruhe und Selbstkorrektur sich ver-
wandelnde Friedensgemeinschaft aller. In einer vereinfachenden Antithese der Mög-
lichkeiten handelt es sich also um den Weg zum Weltimperium oder zur Weltordnung.
Weltimperium, das ist der Weltfriede durch eine einzige Gewalt, die von einem Orte
der Erde her alle bezwingt. Es hält sich aufrecht durch Gewalt. Sie formiert durch To-
talplanung und Terror die nivellierten Massen. Einheitliche Weltanschauung wird in
simplen Grundzügen allen durch Propaganda aufgezwungen. Zensur und Lenkung
der geistigen Tätigkeit zwingt diese in den jeweiligen, jederzeit modifizierbaren Plan.
Weltordnung, das ist die Einheit ohne Einheitsgewalt außer der, die im Verhandeln
durch gemeinsamen Beschluß hervorgeht. Beschlossene Ordnungen können nur auf
dem gesetzlich fixierten Wege durch neue Beschlüsse abgeändert werden. Man hat
sich gemeinsam diesen Verfahren und den Mehrheitsbeschlüssen unterworfen, garan-
tiert die gemeinsamen Rechte aller, die auch die jeweiligen Minderheiten schützen
und die eine Ordnung der Menschheit bleiben in Bewegung und Selbstkorrektur.
Der Knechtung aller von einer Stelle her steht gegenüber die Ordnung aller unter
Verzicht eines jeden auf absolute Souveränität. Daher führt der Weg zur Weltordnung
über den Selbstverzicht Mächtiger als Bedingung der Freiheit aller.
Wo eine Souveränität bleibt, die nicht die der Ordnung der Menschheit im Ganzen
ist, da bleibt auch die Quelle der Unfreiheit: Denn sie muß sich behaupten durch Ge-
walt gegen Gewalt. Gewaltorganisation aber, Eroberung und Reichsgründung durch Er-
oberung, führt auch dann zur Diktatur, wenn der Ausgangspunkt freie Demokratie war.
So geschah es in Rom im Übergang von der Republik zum Caesarismus. So ging die Fran-
zösische Revolution in die Diktatur Napoleons über. Demokratie, die erobert, gibt sich
selber auf. Demokratie, die sich verträgt, begründet die gleichberechtigte Vereinigung
aller. Der Anspruch voller Souveränität erwächst der Energie kommunikationsloser
Selbstbehauptung. Die Konsequenzen sind im Zeitalter des Absolutismus, als der Begriff
der Souveränität bestimmt wurde, rücksichtslos durch Wort und Tat bewußt gemacht.
Wo in gemeinsamer Beschlußfassung der Großmächte das Vetorecht bleibt,92 da
wird der Anspruch der absoluten Souveränität aufrecht erhalten. Wenn Menschen zum
Zwecke des Friedens, den alle bedingungslos wollen, zusammenkommen, da gilt zwi-
schen ihnen der Vertrag, sich dem Mehrheitsbeschluß zu unterwerfen. Diesen Beschluß
zu ändern, gibt es die Möglichkeit weiterer Arbeit zur Überzeugung der Anderen und zur
Aufhebung in einem neuen Beschluß. Nicht aber ist gestattet Veto und nicht Gewalt.
Die Motive, auf Veto und Souveränität zu verzichten, entspringen der Menschlich-
keit, die den Frieden will, - der klugen Voraussicht, die die eigene Macht scheitern sieht
ohne Vereinigung mit allen anderen - der Voraussicht, im Krieg sogar beim Siege so
viel zu verlieren, daß dieses Unheil alles andere überwiegt - der Lust am Sichvertragen
im geistigen Kampf und im Aufbau der Weltordnung - der Lust am Leben mit gleich-
wertigen Menschen und der Unlust an der Herrschaft über Besiegte und über Sklaven.
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Die Ordnungsgestalt würde im ersten Falle die Friedensruhe einer Despotie sein, im
zweiten Falle eine in ständiger demokratischer Unruhe und Selbstkorrektur sich ver-
wandelnde Friedensgemeinschaft aller. In einer vereinfachenden Antithese der Mög-
lichkeiten handelt es sich also um den Weg zum Weltimperium oder zur Weltordnung.
Weltimperium, das ist der Weltfriede durch eine einzige Gewalt, die von einem Orte
der Erde her alle bezwingt. Es hält sich aufrecht durch Gewalt. Sie formiert durch To-
talplanung und Terror die nivellierten Massen. Einheitliche Weltanschauung wird in
simplen Grundzügen allen durch Propaganda aufgezwungen. Zensur und Lenkung
der geistigen Tätigkeit zwingt diese in den jeweiligen, jederzeit modifizierbaren Plan.
Weltordnung, das ist die Einheit ohne Einheitsgewalt außer der, die im Verhandeln
durch gemeinsamen Beschluß hervorgeht. Beschlossene Ordnungen können nur auf
dem gesetzlich fixierten Wege durch neue Beschlüsse abgeändert werden. Man hat
sich gemeinsam diesen Verfahren und den Mehrheitsbeschlüssen unterworfen, garan-
tiert die gemeinsamen Rechte aller, die auch die jeweiligen Minderheiten schützen
und die eine Ordnung der Menschheit bleiben in Bewegung und Selbstkorrektur.
Der Knechtung aller von einer Stelle her steht gegenüber die Ordnung aller unter
Verzicht eines jeden auf absolute Souveränität. Daher führt der Weg zur Weltordnung
über den Selbstverzicht Mächtiger als Bedingung der Freiheit aller.
Wo eine Souveränität bleibt, die nicht die der Ordnung der Menschheit im Ganzen
ist, da bleibt auch die Quelle der Unfreiheit: Denn sie muß sich behaupten durch Ge-
walt gegen Gewalt. Gewaltorganisation aber, Eroberung und Reichsgründung durch Er-
oberung, führt auch dann zur Diktatur, wenn der Ausgangspunkt freie Demokratie war.
So geschah es in Rom im Übergang von der Republik zum Caesarismus. So ging die Fran-
zösische Revolution in die Diktatur Napoleons über. Demokratie, die erobert, gibt sich
selber auf. Demokratie, die sich verträgt, begründet die gleichberechtigte Vereinigung
aller. Der Anspruch voller Souveränität erwächst der Energie kommunikationsloser
Selbstbehauptung. Die Konsequenzen sind im Zeitalter des Absolutismus, als der Begriff
der Souveränität bestimmt wurde, rücksichtslos durch Wort und Tat bewußt gemacht.
Wo in gemeinsamer Beschlußfassung der Großmächte das Vetorecht bleibt,92 da
wird der Anspruch der absoluten Souveränität aufrecht erhalten. Wenn Menschen zum
Zwecke des Friedens, den alle bedingungslos wollen, zusammenkommen, da gilt zwi-
schen ihnen der Vertrag, sich dem Mehrheitsbeschluß zu unterwerfen. Diesen Beschluß
zu ändern, gibt es die Möglichkeit weiterer Arbeit zur Überzeugung der Anderen und zur
Aufhebung in einem neuen Beschluß. Nicht aber ist gestattet Veto und nicht Gewalt.
Die Motive, auf Veto und Souveränität zu verzichten, entspringen der Menschlich-
keit, die den Frieden will, - der klugen Voraussicht, die die eigene Macht scheitern sieht
ohne Vereinigung mit allen anderen - der Voraussicht, im Krieg sogar beim Siege so
viel zu verlieren, daß dieses Unheil alles andere überwiegt - der Lust am Sichvertragen
im geistigen Kampf und im Aufbau der Weltordnung - der Lust am Leben mit gleich-
wertigen Menschen und der Unlust an der Herrschaft über Besiegte und über Sklaven.
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