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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
lichkeiten der Vereinzelung, der Revolution, der Sprengung des Ganzen zu neuen Tei-
len, die wieder miteinander im Kampf stehen.
4) Ist eine rechtliche Weltordnung durch eine politische Form und ein verbindendes
Ethos für die Menschheit überhaupt möglich? Nur erfüllte Zeiten, die in großen Ordnun-
gen eine Weile ihren Frieden und ihr Schöpfertum haben, würden in der Zukunft darauf
antworten können. Es vorwegnehmen zu wollen, würde bedeuten, es aus dem Gedanken
zu schaffen. Das ist unmöglich. Die Erwartung, daß uralte Wahrheit in der Wirklichkeit
der neuen Weltordnung eine Rolle spielen werde, sagt nichts vom Inhalt dieses Neuen.
Denn nicht in der Wiederherstellung verschwundener Wirklichkeiten, sondern in der
Neuzündung durch deren Gehalte zu unvoraussehbaren Gestalten kann entstehen, was
in Zukunft das Menschsein als gemeinsames Ethos in der Öffentlichkeit trägt.
Die Frage, ob eine Weltordnung auf Grund des Miteinanderredens und Beschlie-
ßens als Bedingung und Folge der Freiheit möglich sei, wird wohl beantwortet: sie ist
noch niemals da gewesen. Das aber ist kein Gegengrund gegen ihre Möglichkeit. Sie
251 steht in Analogie zur Entwicklung der bürgerlichen Freiheit | in demokratischer Ord-
nung, zu dieser Überwindung von Gewalt durch Recht und Gesetz, die zwar selten und
immer nur unvollkommen, aber doch faktisch in Ausnahmefällen gelungen ist. Was
in begrenzten Staaten geschehen ist, was also überhaupt wirklich war, das ist grund-
sätzlich im Ganzen der Menschheit nicht unmöglich. Wenn aber der Gedanke auch
leicht zu fassen ist, die Verwirklichung ist ungeheuer schwer, so schwer, daß immer
wieder viele geneigt sind, sie für unmöglich zu halten.
Jedenfalls führt der Weg geschichtlich über die faktischen politischen Macht-
potenzen.
2. Die politischen Machtpotenzen
1) Der Weg zur Weltordnung führt allein über die souveränen Staaten, die ihre Kraft
organisiert und für den Konfliktsfall militärisch einsatzbereit haben. Wie sie aus ihrer
Spannung über Verhandlung oder Krieg miteinander fertig werden und zueinander
finden, entscheidet das Schicksal der Menschheit.
Ein Bild der faktischen Staaten gibt das Bild der politischen Weltlage. Es gibt die
größten Mächte - Amerika und Rußland -,93 dann die europäischen alliierten Natio-
nen, dann die Neutralen und schließlich in Abstufungen die Besiegten. Der vollen
Ohnmacht bei den letzten entspricht die volle Souveränität nur bei den ersten. Dazwi-
schen liegen die Selbständigen, die doch mehr oder weniger abhängig nicht selten auf
einen Wink der Großen ihre Entscheidungen treffen müssen.
Auf das Ganze gesehen, ist offenbar die Zeit der Nationalstaaten vorüber. Die heu-
tigen Weltmächte umfassen viele Nationen. Die Nation im Sinne der europäischen
Völker ist zu klein, um als solche eine Weltmacht zu sein.
Es handelt sich heute darum, wie Nationen zusammenkommen, um Weltmacht
zu sein: ob sie unterworfen werden von einer Nation, oder ob gleichwertig lebende Na-
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
lichkeiten der Vereinzelung, der Revolution, der Sprengung des Ganzen zu neuen Tei-
len, die wieder miteinander im Kampf stehen.
4) Ist eine rechtliche Weltordnung durch eine politische Form und ein verbindendes
Ethos für die Menschheit überhaupt möglich? Nur erfüllte Zeiten, die in großen Ordnun-
gen eine Weile ihren Frieden und ihr Schöpfertum haben, würden in der Zukunft darauf
antworten können. Es vorwegnehmen zu wollen, würde bedeuten, es aus dem Gedanken
zu schaffen. Das ist unmöglich. Die Erwartung, daß uralte Wahrheit in der Wirklichkeit
der neuen Weltordnung eine Rolle spielen werde, sagt nichts vom Inhalt dieses Neuen.
Denn nicht in der Wiederherstellung verschwundener Wirklichkeiten, sondern in der
Neuzündung durch deren Gehalte zu unvoraussehbaren Gestalten kann entstehen, was
in Zukunft das Menschsein als gemeinsames Ethos in der Öffentlichkeit trägt.
Die Frage, ob eine Weltordnung auf Grund des Miteinanderredens und Beschlie-
ßens als Bedingung und Folge der Freiheit möglich sei, wird wohl beantwortet: sie ist
noch niemals da gewesen. Das aber ist kein Gegengrund gegen ihre Möglichkeit. Sie
251 steht in Analogie zur Entwicklung der bürgerlichen Freiheit | in demokratischer Ord-
nung, zu dieser Überwindung von Gewalt durch Recht und Gesetz, die zwar selten und
immer nur unvollkommen, aber doch faktisch in Ausnahmefällen gelungen ist. Was
in begrenzten Staaten geschehen ist, was also überhaupt wirklich war, das ist grund-
sätzlich im Ganzen der Menschheit nicht unmöglich. Wenn aber der Gedanke auch
leicht zu fassen ist, die Verwirklichung ist ungeheuer schwer, so schwer, daß immer
wieder viele geneigt sind, sie für unmöglich zu halten.
Jedenfalls führt der Weg geschichtlich über die faktischen politischen Macht-
potenzen.
2. Die politischen Machtpotenzen
1) Der Weg zur Weltordnung führt allein über die souveränen Staaten, die ihre Kraft
organisiert und für den Konfliktsfall militärisch einsatzbereit haben. Wie sie aus ihrer
Spannung über Verhandlung oder Krieg miteinander fertig werden und zueinander
finden, entscheidet das Schicksal der Menschheit.
Ein Bild der faktischen Staaten gibt das Bild der politischen Weltlage. Es gibt die
größten Mächte - Amerika und Rußland -,93 dann die europäischen alliierten Natio-
nen, dann die Neutralen und schließlich in Abstufungen die Besiegten. Der vollen
Ohnmacht bei den letzten entspricht die volle Souveränität nur bei den ersten. Dazwi-
schen liegen die Selbständigen, die doch mehr oder weniger abhängig nicht selten auf
einen Wink der Großen ihre Entscheidungen treffen müssen.
Auf das Ganze gesehen, ist offenbar die Zeit der Nationalstaaten vorüber. Die heu-
tigen Weltmächte umfassen viele Nationen. Die Nation im Sinne der europäischen
Völker ist zu klein, um als solche eine Weltmacht zu sein.
Es handelt sich heute darum, wie Nationen zusammenkommen, um Weltmacht
zu sein: ob sie unterworfen werden von einer Nation, oder ob gleichwertig lebende Na-