Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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tionen sich in einer Staatsgemeinschaft zusammenfinden, der sie ihre besondere Sou-
veränität geopfert haben. Diese Staatsgemeinschaft kann sich wieder Nation nennen
aus einem politischen Prinzip des Staats- und Gesellschaftslebens, in dem sich Men-
schen aus mehreren Völkern zusammenfinden. Der Sinn des Nationalbewußtseins | 252
hat sich vom Völkischen zum Politischen, vom Naturgegebenen zu einem geistigen
Prinzip verwandelt. Jedoch ist vermöge des Fortlebens der Gespenster der Vergangen-
heit heute noch, und sogar gesteigert, vom Nationalen die Rede, während es schon
nicht mehr ein Faktor des politisch entscheidenden Geschehens ist.
Neben den durch die industrielle Entwicklung heute mächtig dastehenden Gro-
ßen gibt es die zukünftigen Mächte, vor allem China, das durch Rohstoffe, Menschen-
massen, Begabung, Überlieferung und Weltlage vielleicht in nicht zu ferner Zeit schon
zu einem Schlüssel des weltpolitischen Geschehens werden kann, - ferner Indien, das
wie ein eigener Kontinent auf dem Boden einer einzigartigen geistigen Überlieferung
durch seine Völker eine Möglichkeit der Machtentwicklung darstellt, die allerdings
trotz aller Befreiungsbewegungen dort in der Tat noch schlummert.
Auf das Ganze der Weltgeschichte gesehen, sind die beiden heute mächtigsten Staa-
ten, Amerika und Rußland, historisch ganz junge Gebilde. Die Jahrtausende alte Kul-
turentwicklung ist zwar ihnen eigen geworden. Aber sie sind vergleichsweise ein Auf-
gepfropftes. Das Christentum kam nach Rußland, Europa ist geistig in Amerika
gegenwärtig. Aber sowohl Amerika wie Rußland eignet, gemessen an den uralten, welt-
schaffenden Kulturen, eine Wurzellosigkeit und damit zugleich eine großartige Unbe-
fangenheit. Auf sie zu blicken, ist für uns ungemein belehrend und befreiend, aber
auch erschreckend. Das Erbe unserer Überlieferung ist nur uns in Europa, wie auf an-
dere Weise Chinesen und Indern die ihre, einzig kostbar. Sie gibt diesen allen in jeder
Lage ein Gefühl von Herkunft, Geborgenheit, Anspruch an sich selbst. Demgegenüber
ist es erstaunlich, wie die heute Mächtigsten dieser Erde manchmal leise ein Minder-
wertigkeitsgefühl bedrückt, das sie verschleiern in einer eigentümlichen Kindlichkeit
und in dem Zorn ihrer Ansprüche.
Wie das Spiel der politischen Kräfte sich vollzieht, mit den Schachzügen der Staa-
ten in den verwickelten Verflechtungen der Machtchancen sich ändert, und wie doch
gewisse große Grundzüge dabei sich erhalten, das zu durchschauen wäre von höch-
stem Interesse. Denn die politisch geistigen Ordnungsgedanken finden | ihre Verwirk- 253
lichung doch nur auf dem Wege über die in diesem Spiel zu gewinnende Macht.
Im Vordergründe des Alltags sieht sehr viel wie zufällig aus. Durch alles, was gegen
die Einordnung in größere Zusammenhänge steht, wird Unheil gestiftet, so durch na-
tionale Ansprüche, die sich zu absoluten machen, so durch alle partikularen Kunst-
griffe, sich einen besonderen Vorteil zu verschaffen, durch alle Versuche, die Großen
gegen einander auszuspielen und für sich daraus Gewinn zu erhoffen.
2) In das Spiel dieser Machtpotenzen sind alle Menschen, die mehr als zwei Mil-
liarden, welche den Erdball heute bevölkern, einbezogen. Aber Führung und Entschei-
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tionen sich in einer Staatsgemeinschaft zusammenfinden, der sie ihre besondere Sou-
veränität geopfert haben. Diese Staatsgemeinschaft kann sich wieder Nation nennen
aus einem politischen Prinzip des Staats- und Gesellschaftslebens, in dem sich Men-
schen aus mehreren Völkern zusammenfinden. Der Sinn des Nationalbewußtseins | 252
hat sich vom Völkischen zum Politischen, vom Naturgegebenen zu einem geistigen
Prinzip verwandelt. Jedoch ist vermöge des Fortlebens der Gespenster der Vergangen-
heit heute noch, und sogar gesteigert, vom Nationalen die Rede, während es schon
nicht mehr ein Faktor des politisch entscheidenden Geschehens ist.
Neben den durch die industrielle Entwicklung heute mächtig dastehenden Gro-
ßen gibt es die zukünftigen Mächte, vor allem China, das durch Rohstoffe, Menschen-
massen, Begabung, Überlieferung und Weltlage vielleicht in nicht zu ferner Zeit schon
zu einem Schlüssel des weltpolitischen Geschehens werden kann, - ferner Indien, das
wie ein eigener Kontinent auf dem Boden einer einzigartigen geistigen Überlieferung
durch seine Völker eine Möglichkeit der Machtentwicklung darstellt, die allerdings
trotz aller Befreiungsbewegungen dort in der Tat noch schlummert.
Auf das Ganze der Weltgeschichte gesehen, sind die beiden heute mächtigsten Staa-
ten, Amerika und Rußland, historisch ganz junge Gebilde. Die Jahrtausende alte Kul-
turentwicklung ist zwar ihnen eigen geworden. Aber sie sind vergleichsweise ein Auf-
gepfropftes. Das Christentum kam nach Rußland, Europa ist geistig in Amerika
gegenwärtig. Aber sowohl Amerika wie Rußland eignet, gemessen an den uralten, welt-
schaffenden Kulturen, eine Wurzellosigkeit und damit zugleich eine großartige Unbe-
fangenheit. Auf sie zu blicken, ist für uns ungemein belehrend und befreiend, aber
auch erschreckend. Das Erbe unserer Überlieferung ist nur uns in Europa, wie auf an-
dere Weise Chinesen und Indern die ihre, einzig kostbar. Sie gibt diesen allen in jeder
Lage ein Gefühl von Herkunft, Geborgenheit, Anspruch an sich selbst. Demgegenüber
ist es erstaunlich, wie die heute Mächtigsten dieser Erde manchmal leise ein Minder-
wertigkeitsgefühl bedrückt, das sie verschleiern in einer eigentümlichen Kindlichkeit
und in dem Zorn ihrer Ansprüche.
Wie das Spiel der politischen Kräfte sich vollzieht, mit den Schachzügen der Staa-
ten in den verwickelten Verflechtungen der Machtchancen sich ändert, und wie doch
gewisse große Grundzüge dabei sich erhalten, das zu durchschauen wäre von höch-
stem Interesse. Denn die politisch geistigen Ordnungsgedanken finden | ihre Verwirk- 253
lichung doch nur auf dem Wege über die in diesem Spiel zu gewinnende Macht.
Im Vordergründe des Alltags sieht sehr viel wie zufällig aus. Durch alles, was gegen
die Einordnung in größere Zusammenhänge steht, wird Unheil gestiftet, so durch na-
tionale Ansprüche, die sich zu absoluten machen, so durch alle partikularen Kunst-
griffe, sich einen besonderen Vorteil zu verschaffen, durch alle Versuche, die Großen
gegen einander auszuspielen und für sich daraus Gewinn zu erhoffen.
2) In das Spiel dieser Machtpotenzen sind alle Menschen, die mehr als zwei Mil-
liarden, welche den Erdball heute bevölkern, einbezogen. Aber Führung und Entschei-