Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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Die Grenze der Toleranz ist nur an der absoluten Intoleranz. Aber jeder lebendige
Mensch, mag er noch so intolerant sich gebärden, muß die Möglichkeit der Toleranz
in sich haben, weil er Mensch ist.
3) Beseelung allen Tuns: Was auf den Wegen des Sozialismus und des Planens, was
auf dem Wege der Weltordnung wirklich wird, Institutionen, Werke, Verkehrsregeln
und Verhaltungs| weisen erfahren Abwandlungen nach der Art der Menschen, die in 277
ihnen stehen. Ihre Denkungsart, ihr Glaube, ihr Charakter bestimmen die Weise der
Verwirklichung und die weiteren Folgen.
Alles, was der Verstand entwirft, als Zwecke setzt, als Mittel herbeiholt, ist, weil
von Menschen getan und erlitten, schließlich geführt von Motiven, an die der Ver-
stand nicht gedacht hat, sei es von Trieben und Leidenschaften, sei es von Glaubens-
antrieben, Ideen.
Daher ist es ein Verhängnis, wenn das Bewußtsein sich im Verstandesmäßigen er-
schöpfen will. Es verfällt nur um so verschleierter dem Elementaren.
Glaube führt im kritischen Bewußtsein zur Selbstbegrenzung der endlichen Dinge:
der Macht und Gewalt, der Planungen des Verstandes, der Wissenschaft, der Kunst. Alles
steht in seinen Grenzen und wird Übergriffen durch eine Führung, die nicht Plan ist. Die
Führung entstammt einer tieferen Ordnung, die sich bewußt wird in Glaubenserhellun-
gen. Das Endliche ist dadurch gleichsam beseelt und Weise der Gegenwärtigkeit des Un-
endlichen. Das Endliche wird gleichsam Gefäß oder Sprache und ist durch seine Wirkun-
gen Träger einer Gegenwart des Unendlichen, wenn es seine Endlichkeit nicht vergißt.
Daher auch die Möglichkeit des Appells an die Menschen in den Institutionen, in den
Bürokratien, in Wissenschaft und Technik: aus ihrer Idee an allen kleinen und großen
Wendepunkten den Weg zu finden, den Geist des Ganzen zur Erscheinung zu bringen,
in Selbstbegrenzung aus dem Endlosen Sinn und Menschlichkeit hervorzubringen.
Staatsmänner, Beamte, Forscher - sie alle gewinnen Rang und Sinn dadurch, daß sie durch
Selbstbeschränkung ihrer Macht zeugen von der Führung aus dem Umgreifenden.
4. Der Glaube in der Zukunft
Der Aspekt der Gegenwart und die Kategorien ewigen Glaubens scheinen so vollkommen
zu differieren, daß sie sich ausschließen. Diese Differenz macht die Zukunftsfrage um so
erregender: in welcher Gestalt wird der Glaube des Menschen zur Erscheinung kommen?
| Zunächst hören wir den radikalen Pessimismus: In der Größe der Not wird alles 278
verschwinden, mit der Kultur auch der Glaube; es bleibt nur Besinnungslosigkeit, die
Lähmung der Seele und des Geistes; denn diese Not ist der Untergang auf dem Weg zur
leiblichen Vernichtung. In solchen Sätzen liegt eine erbarmungslose Wahrheit. Denn
die Augenblicke des Offenbarwerdens aus der Tiefe der Seele in der größten Not blei-
ben - so scheint es - ohne Auswirkung in der Welt, ohne Kommunikation, oder sie ver-
schwinden für die Welt in der intimsten Kommunikation der Nächsten. Mit der über-
mächtigen Not würde die Frage nach dem Glauben in der Zukunft fast hinfällig. Über
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Die Grenze der Toleranz ist nur an der absoluten Intoleranz. Aber jeder lebendige
Mensch, mag er noch so intolerant sich gebärden, muß die Möglichkeit der Toleranz
in sich haben, weil er Mensch ist.
3) Beseelung allen Tuns: Was auf den Wegen des Sozialismus und des Planens, was
auf dem Wege der Weltordnung wirklich wird, Institutionen, Werke, Verkehrsregeln
und Verhaltungs| weisen erfahren Abwandlungen nach der Art der Menschen, die in 277
ihnen stehen. Ihre Denkungsart, ihr Glaube, ihr Charakter bestimmen die Weise der
Verwirklichung und die weiteren Folgen.
Alles, was der Verstand entwirft, als Zwecke setzt, als Mittel herbeiholt, ist, weil
von Menschen getan und erlitten, schließlich geführt von Motiven, an die der Ver-
stand nicht gedacht hat, sei es von Trieben und Leidenschaften, sei es von Glaubens-
antrieben, Ideen.
Daher ist es ein Verhängnis, wenn das Bewußtsein sich im Verstandesmäßigen er-
schöpfen will. Es verfällt nur um so verschleierter dem Elementaren.
Glaube führt im kritischen Bewußtsein zur Selbstbegrenzung der endlichen Dinge:
der Macht und Gewalt, der Planungen des Verstandes, der Wissenschaft, der Kunst. Alles
steht in seinen Grenzen und wird Übergriffen durch eine Führung, die nicht Plan ist. Die
Führung entstammt einer tieferen Ordnung, die sich bewußt wird in Glaubenserhellun-
gen. Das Endliche ist dadurch gleichsam beseelt und Weise der Gegenwärtigkeit des Un-
endlichen. Das Endliche wird gleichsam Gefäß oder Sprache und ist durch seine Wirkun-
gen Träger einer Gegenwart des Unendlichen, wenn es seine Endlichkeit nicht vergißt.
Daher auch die Möglichkeit des Appells an die Menschen in den Institutionen, in den
Bürokratien, in Wissenschaft und Technik: aus ihrer Idee an allen kleinen und großen
Wendepunkten den Weg zu finden, den Geist des Ganzen zur Erscheinung zu bringen,
in Selbstbegrenzung aus dem Endlosen Sinn und Menschlichkeit hervorzubringen.
Staatsmänner, Beamte, Forscher - sie alle gewinnen Rang und Sinn dadurch, daß sie durch
Selbstbeschränkung ihrer Macht zeugen von der Führung aus dem Umgreifenden.
4. Der Glaube in der Zukunft
Der Aspekt der Gegenwart und die Kategorien ewigen Glaubens scheinen so vollkommen
zu differieren, daß sie sich ausschließen. Diese Differenz macht die Zukunftsfrage um so
erregender: in welcher Gestalt wird der Glaube des Menschen zur Erscheinung kommen?
| Zunächst hören wir den radikalen Pessimismus: In der Größe der Not wird alles 278
verschwinden, mit der Kultur auch der Glaube; es bleibt nur Besinnungslosigkeit, die
Lähmung der Seele und des Geistes; denn diese Not ist der Untergang auf dem Weg zur
leiblichen Vernichtung. In solchen Sätzen liegt eine erbarmungslose Wahrheit. Denn
die Augenblicke des Offenbarwerdens aus der Tiefe der Seele in der größten Not blei-
ben - so scheint es - ohne Auswirkung in der Welt, ohne Kommunikation, oder sie ver-
schwinden für die Welt in der intimsten Kommunikation der Nächsten. Mit der über-
mächtigen Not würde die Frage nach dem Glauben in der Zukunft fast hinfällig. Über