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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0255
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222

Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

scheinlich wegen der zahlreichen Zufälle, die zusammenkommen müssen zu einem
solchen Resultat (Eddington).100
b) Die spezifischen Charaktere des Menschen, in der tiefen Auffassung durch die
jüdisch-christliche Offenbarungsreligion, haben eine Einzigkeit; Gottes Schöpfung ist
eine einzige und der Mensch ist Gottes Ebenbild; es kann nicht viele »Welten« geben
(so das Christentum und so Hegel). Sowohl die Offenbarung, durch die der Mensch
sich in seiner Nichtigkeit und Größe begreift, wie die natürliche Tendenz, aus der der
Mensch sich als Zentrum und einzig fühlt, führen zu diesem Ergebnis.
Man gibt auch positive Antworten:
a) Mag es Zufall sein, so ist doch für diesen Zufall in der unendlichen Welt gleich-
zeitig und in der Zeitfolge Raum genug. Bei den Milliarden von Sonnen im Milchstra-
ßensystem und bei den ungezählten Milchstraßensystemen außer dem unsrigen ist es
gerade wahrscheinlich, daß der Zufall in seinen Kombinationen mehrere Male vor-
kommen kann.
b) Der Mensch hat zu allen Zeiten andere Vernunftwesen außer sich in der Welt an-
genommen: Dämonen, Engel, Sterngötter. Er hat sich solcher Art mit mythischen Ver-
wandten umgeben. Die Welt war nicht leer. Mit der Verwandlung der Welt zu einem
Mechanismus lebloser Massen ist diese Leere vollkommen. Daß nur der Mensch in der
Welt Bewußtsein hat und denkt, ist bei voller Vergegenwärtigung wie unmöglich. Ist
diese ungeheure Welt nur für den Menschen da? Nicht einmal alles Leben auf der Erde
297 ist in bezug auf den Menschen zu begreifen. | Jedes ist für sich, und die lange Erdge-
schichte war Leben ohne den Menschen.
c) Wäre der Mensch nicht allein, so wäre, könnte man vielleicht sagen, in den un-
endlichen Zeiten für die geistigen Wesen in der Welt Gelegenheit gewesen, sich in der
Welt vernehmbar zu machen: die Welt wäre längst von irgendwoher »entdeckt« und
neu sich entfaltendes Vernunftleben würde alsbald aufgenommen werden in eine Mit-
teilungsgemeinschaft des Kosmos, die ständig da ist. Aber aus der Welt kommt nur
Lebloses zu uns.
Jedoch läßt sich ebensogut antworten: Wir sind ständig von den Strahlen dieser
Mitteilung umgeben, wie von den Radiostrahlen, die wir auch nicht merken, wenn wir
keinen Empfänger haben. Wir sind noch nicht so weit, die ständig durch den Kosmos
sich verbreitenden Strahlen wahrzunehmen, die einer längst wirklichen kosmischen
Gemeinschaft angehören. Wir fangen ja auf der Erde erst an. Der Augenblick des Er-
wachens hat begonnen. Warum sollten wir nicht eines Tages entdecken, was eine fak-
tische Sprache in der Welt ist, zuerst sie ohne Verstehen auffangen, dann sie gleich-
sam entziffern wie die ägyptischen Hieroglyphen? Bis wir unablässig hören, was
Vernunftwesen in der Welt etwa mitteilen, und bis wir fähig werden, zu antworten?
Jede nähere Ausmalung dieser Vorstellung ist gegenstandslos wie diese Vorstellung
selbst, - etwa was die Entfernung von Lichtjahren für Folgen hätte für einen mögli-
chen Austausch.
 
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