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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0260
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

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dem Übergang stellten Menschen, die noch darin lebten, aber schon unter der Bedro-
hung eines neuen Zeitalters, die Welt hin, die ausklang und deren Idee - denn Wirk-
lichkeit war sie so niemals - sie für immer befestigten.
Es gibt keinen menschlichen Bestand von Dauer und vielleicht am wenigsten dort,
wo man ihn will. Die Wahrheit, durch die das Sein bewußt wird, erscheint in der Zeit.
Die Zeitlichkeit ist gehaltvoll durch dieses Erscheinen, im Nichthaltenkönnen und | 304
Verschwinden. Wesentliche Wiederholung ist daher Leben aus gegenwärtigem Ur-
sprung in Kommunikation mit der Wahrheit des Vergangenen - als dem Weg zum
einen Ursprung von Allem. Leere Wiederholung dagegen ist die bloße Wiederholung
einer Erscheinung in Nachahmung ohne Verwandlung aus eigenem Ursprung. Fort-
schritt gibt es nur im Verstandeswissen - eine Bewegung, die an sich bloße Chance ist
sowohl zur Vertiefung wie zur Verflachung des Menschen, auch sie ein Moment der
unablässigen Bewegung in der Zeit, nicht der Sinn der Bewegung selbst.
Nur das ist das Wesentliche in der Geschichte, daß in ihr der Mensch zu erinnern
und damit, was war, als Faktor des Kommenden zu bewahren vermag. Für ihn gewinnt
die Zeit den einmaligen Sinn der Geschichtlichkeit, während die Natur des Daseins die
ständige Wiederholung des Gleichen ist, das sich ändert in sehr langen Zeiträumen,
nur bewußtlos, wir wissen nur zum geringsten oder gar nicht warum.
Das Bestehende - sei es Ordnung oder anarchisches Chaos -, das durch die Zeit Dau-
ernde, für das die Zeit gleichgültig wird, verliert alsbald den geschichtlichen Gehalt.
Alle Erscheinung eigentlicher Wahrheit ist aber verwandt im Ursprung, in jenem
Bestehen, das nicht Dauer in der Zeit, sondern zeittilgende Ewigkeit ist. Diese Wahr-
heit treffe ich nur je in der Gegenwart, je im eigenen Übergang, nicht im Verstehen
und nicht im Nachahmen und nicht im identischen Nocheinmal einer gewesenen
Erscheinung.
Geschichtlich ist auch der Übergang ein je besonderer. Es ist die Frage: welcher
Übergang macht gerade diese Weise der Seinsoffenbarkeit möglich? Nur auf solche Er-
möglichungen läßt sich hinweisen angesichts der großen Übergangszeiten der Vergan-
genheit.
Grundzug der Geschichte also ist: Sie ist schlechthin Übergang. Ihr eignet nicht
wesentlich Dauerndes - alles Dauernde ist ihr Grund und ihr Material und ihr Mittel.
Dazu gehört die Vorstellung: Irgendwann ist das Ende der Geschichte, der Mensch-
heit, wie einst ihr Anfang war. Das letzte - sowohl Anfang wie Ende - ist uns praktisch
so fern, daß es nicht fühlbar für uns ist, aber von daher kommt ein alles überschatten-
der Maßstab.
 
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