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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0264
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

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| Die Einheit also, auf die hin der Mensch lebt, wenn er eigentlich geschichtlich wird, 30p
kann nicht in einer Einheit biologischer Abstammung ihren Grund haben, sondern
nur in dem höheren Ursprung, der den Menschen unmittelbar aus der Hand der Gott-
heit werden läßt. Diese Einheit des Ursprungs ist nicht der Bestand eines Soseins. Viel-
mehr ist sie die Geschichtlichkeit selber. Das zeigt sich in Folgendem:
1) Die Einheit des Menschen in der Bewegung seiner Verwandlungen ist nicht eine
ruhende Einheit bestehender und nur wechselweise realisierter Eigenschaften. Der
Mensch ist in der Geschichte durch Bewegung geworden, die nicht Bewegung seiner
natürlichen Artung ist. Als Naturwesen ist er seine gegebene Artung im Spielraum ih-
rer Variationen, als geschichtliches Wesen greift er aus seinem Ursprung über diese
Naturgegebenheit hinaus. Aus diesem Ursprung muß er zur Einheit drängen, die alle
verbindet. Das ist ein Postulat: ohne diese Einheit würde ein Verständnis nicht mög-
lich sein, wäre ein Abgrund zwischen Wesensverschiedenem, wäre eine verstehende
Geschichte unmöglich.
2) In der Erscheinung der einzelnen Menschen liegt ein in der bestimmten Wirklich-
keit sich ausschließender Charakter. Der Mensch kann als Einzelner nicht vereinen, was
er aus wesensverschiedenen Ursprüngen verwirklicht, etwa der Heilige und der Held.
Der Mensch, auch der einzelne Mensch, ist vom Ursprung her der Möglichkeit nach
alles, der Wirklichkeit nach ein Einzelnes. Aber darin ist er nicht beschränkter Teil,
sondern geschichtlich, eigener Ursprung, anderem geschichtlichen Ursprung zuge-
wandt im Bewußtsein des einen, alle verbindenden geschichtlichen Grundes.
Der einzelne Mensch ist nie ein kompletter, nie ein idealer Mensch. Es kann im
Prinzip den kompletten Menschen nicht geben, denn alles, was er ist und verwirklicht,
ist wieder durchbrechbar und wird durchbrochen, ist offen. Der Mensch ist kein ferti-
ges und kein vollendbares Wesen.
3) In der Geschichte tritt in einmaligen Schöpfungen, Durchbrüchen, Verwirklichun-
gen zu Tage, was unwiederholbar und unersetzbar ist. Weil diese schöpferischen Schritte
auf keine | Weise kausal begriffen, nicht als notwendig abgeleitet werden können, sind 310
sie wie Offenbarungen aus anderer Quelle als aus dem Lauf des bloßen Geschehens. Aber
wenn sie da sind, dann begründen sie das Menschsein, das folgt. Von ihnen her gewinnt
der Mensch sein Wissen und Wollen, seine Vorbilder und Gegenbilder, seine Maßstäbe,
seine Denkungsart und seine Symbole, seine innere Welt. Sie sind Schritte zur Einheit,
weil angehörend dem einen sich verstehenden Geiste, an alle sich wendend.
2. Das Universale
Die Einheit der Menschheit scheint eindrucksvoll in der Tatsache, daß ähnliche
Grundzüge der Religion, der Denkformen, der Werkzeuge, der gesellschaftlichen
Formen auf der ganzen Erde wiederkehren. Die Ähnlichkeit der Menschen bei aller
 
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