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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
Verschiedenheit ist groß. Die psychologischen und soziologischen Tatbestände sind
derart, daß überall Vergleich möglich ist, und daß eine Menge von Regelmäßigkeiten
feststellbar sind, welche Grundstrukturen des Menschseins in psychologischer und so-
ziologischer Hinsicht zeigen. Gerade durch Beobachtung des Gemeinsamen wird aber
auch das Abweichende erst klar, mag es aus spezifischen Artungen der Menschen, aus
historischen Situationen und Ereignissen begriffen werden. Richtet man den Blick auf
das Universale, so wird man die Übereinstimmung im Wesentlichen finden, und die
Besonderheiten als lokal begreifen, sie haften an Ort und Zeit.
Dieses Universale aber kann gerade nicht die eigentliche Einheit der Menschheit
ausmachen. Im GegenteiL Richtet man den Blick auf die Tiefe der sich offenbarenden
Wahrheit, so wird man innerhalb des Besonderen das geschichtlich Große finden. Im
Universalen aber das Allgemeine, das ungeschichtlich Gleichbleibende, das gleichsam
das Wasser des Tatsächlichen und des Richtigen ist.
Wenn zwischen fernsten Kulturen ein gemeinsamer Besitz der Grundbestand des
Menschseins ist, so ist es doch gerade erstaunlich und wichtig, daß immer auch Ab-
weichungen sind, wo man ein$ schlechthin Universales zu finden glaubte, - daß ir-
311 gendwo fehlt, was den Menschen sonst eignet, und daß das schlechthin Uni |verseile
auch immer einen abstrakten Charakter hat, eine Einförmigkeit.
Was am Maßstab des Universalen eine bloße Besonderung ist, das kann gerade die
Erfüllung eigentlicher Geschichtlichkeit sein. Die Einheit der Menschheit kann erst
in der Bezogenheit dieses geschichtlich Besonderen aufeinander gründen, das nicht
wesentlich Abweichung, sondern vielmehr positiv ursprünglicher Gehalt ist, nicht
Fall eines Allgemeinen, sondern Glied der einen umfassenden Geschichtlichkeit der
Menschheit.
3. Der Fortschritt
Im Wissen und im technischen Können geht der Weg voran, ein Schritt folgt dem an-
deren, das Erworbene kann identisch weitergegeben werden, wird Eigentum aller. Da-
mit geht durch die Geschichte der einzelnen Kulturen und aller Kulturen eine Linie wach-
senden Erwerbes, aber begrenzt auf das unpersönliche, allgemeingiltige Wissen und
Können des Bewußtseins überhaupt.
Die Weltgeschichte läßt sich in diesem Bereich als eine Entwicklung in aufsteigen-
der Linie auffassen, zwar mit Rückschlägen und Stillständen, aber im Ganzen mit stän-
diger Vermehrung des Besitzes, zu dem Menschen und Völker ihren Beitrag geben, der,
seinem Wesen nach allen Menschen zugänglich, auch zum Besitz aller wird. Man sieht
historisch die Stufen dieses Fortschritts und steht gegenwärtig auf dem höchsten
Punkt. Das aber ist nur eine Linie im Ganzen. Das Menschsein selbst, das Ethos des
Menschen, seine Güte und Weisheit machen keinen Fortschritt. Kunst und Dichtung
sind wohl allen verständlich, aber nicht allen eigen, sondern sind gebunden an Völ-
ker und ihre Zeitalter in je einmaliger unübertrefflicher Höhe.
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
Verschiedenheit ist groß. Die psychologischen und soziologischen Tatbestände sind
derart, daß überall Vergleich möglich ist, und daß eine Menge von Regelmäßigkeiten
feststellbar sind, welche Grundstrukturen des Menschseins in psychologischer und so-
ziologischer Hinsicht zeigen. Gerade durch Beobachtung des Gemeinsamen wird aber
auch das Abweichende erst klar, mag es aus spezifischen Artungen der Menschen, aus
historischen Situationen und Ereignissen begriffen werden. Richtet man den Blick auf
das Universale, so wird man die Übereinstimmung im Wesentlichen finden, und die
Besonderheiten als lokal begreifen, sie haften an Ort und Zeit.
Dieses Universale aber kann gerade nicht die eigentliche Einheit der Menschheit
ausmachen. Im GegenteiL Richtet man den Blick auf die Tiefe der sich offenbarenden
Wahrheit, so wird man innerhalb des Besonderen das geschichtlich Große finden. Im
Universalen aber das Allgemeine, das ungeschichtlich Gleichbleibende, das gleichsam
das Wasser des Tatsächlichen und des Richtigen ist.
Wenn zwischen fernsten Kulturen ein gemeinsamer Besitz der Grundbestand des
Menschseins ist, so ist es doch gerade erstaunlich und wichtig, daß immer auch Ab-
weichungen sind, wo man ein$ schlechthin Universales zu finden glaubte, - daß ir-
311 gendwo fehlt, was den Menschen sonst eignet, und daß das schlechthin Uni |verseile
auch immer einen abstrakten Charakter hat, eine Einförmigkeit.
Was am Maßstab des Universalen eine bloße Besonderung ist, das kann gerade die
Erfüllung eigentlicher Geschichtlichkeit sein. Die Einheit der Menschheit kann erst
in der Bezogenheit dieses geschichtlich Besonderen aufeinander gründen, das nicht
wesentlich Abweichung, sondern vielmehr positiv ursprünglicher Gehalt ist, nicht
Fall eines Allgemeinen, sondern Glied der einen umfassenden Geschichtlichkeit der
Menschheit.
3. Der Fortschritt
Im Wissen und im technischen Können geht der Weg voran, ein Schritt folgt dem an-
deren, das Erworbene kann identisch weitergegeben werden, wird Eigentum aller. Da-
mit geht durch die Geschichte der einzelnen Kulturen und aller Kulturen eine Linie wach-
senden Erwerbes, aber begrenzt auf das unpersönliche, allgemeingiltige Wissen und
Können des Bewußtseins überhaupt.
Die Weltgeschichte läßt sich in diesem Bereich als eine Entwicklung in aufsteigen-
der Linie auffassen, zwar mit Rückschlägen und Stillständen, aber im Ganzen mit stän-
diger Vermehrung des Besitzes, zu dem Menschen und Völker ihren Beitrag geben, der,
seinem Wesen nach allen Menschen zugänglich, auch zum Besitz aller wird. Man sieht
historisch die Stufen dieses Fortschritts und steht gegenwärtig auf dem höchsten
Punkt. Das aber ist nur eine Linie im Ganzen. Das Menschsein selbst, das Ethos des
Menschen, seine Güte und Weisheit machen keinen Fortschritt. Kunst und Dichtung
sind wohl allen verständlich, aber nicht allen eigen, sondern sind gebunden an Völ-
ker und ihre Zeitalter in je einmaliger unübertrefflicher Höhe.